Die Treppe im See(81)
?Wo sind diese Fotos??
Ich fluchte innerlich. ?Vermutlich irgendwo in Pennsylvania, mittlerweile.?
Der Polizeichef runzelte die Stirn.
?Ich hatte sie auf dem Friedhof bei mir, doch der Wind wehte sie weg, als mir Dentman ins Gesicht schlug und mich an den Zaun kettete.? Dann war es an mir, die Stirn zu runzeln. ?Warum haben Sie mich noch nicht gefragt, was ich überhaupt dort drau?en wollte??
?Ich wei? es bereits.?
?Wie das??
?Dentman rief heute Morgen hier an.?
?Dieser Hurensohn. Hat er gestanden??
?Es war ein anonymer Anruf?, erkl?rte Strohman, ?aus einer Telefonzelle in West Cumberland, aber ich wei?, dass er dahintersteckt.?
?Tja, schei?e.?
?Ich werde Ihnen etwas anvertrauen.? Er erhob sich, ging vom Schreibtisch zur Tür und ?ffnete.
Da stand eine rundliche, kleine Frau mit silbergrauem Haar und zwei dampfenden Styroporbechern Kaffee in den H?nden. Ich hatte nicht einmal geh?rt, ob sie geklopft hatte. Strohman nahm die Becher und dankte ihr, ehe er die Tür mit dem Fu? zudrückte. Nachdem ich ihm einen Kaffee abgenommen hatte, setzte er sich vor mich auf die Tischkante. Das Holz knarrte unter Protest.
?Ist es das, was Sie mir anvertrauen wollen??, fragte ich. Die W?rme, die von dem Becher ausging, tat gut. ?Kaffee??
Wieder grinste Strohman. Mein Hirn beschwor ein Bild des jungen Kirk Douglas herauf. ?Bei Situationen wie dieser, steht zuallererst immer die Familie unter Verdacht, hier also die Dentmans. In diesem Fall die Mutter des Jungen, und seinen Onkel. Die Mutter?, er wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht, um auf ihre geistige Verfassung hinzudeuten, ?war nur beschr?nkt zurechnungsf?hig, wenn wir es so ausdrücken wollen. Aber?, er sah mich über den Rand seines Bechers hinweg an und schob nach, ?das wissen Sie ja, nach Ihrem Besuch.? Er schlürfte. ?Ich habe David Dentman intensiv auf den Zahn gefühlt, seine Schilderungen blieben unver?ndert.?
?Das allein bedeutet noch nicht, dass er unschuldig ist.?
?Es gibt weder eine Leiche noch andere Hinweise, die auf Mord schlie?en lassen. Damit will ich sagen, dass wir keinen stichhaltigen Grund für eine Festnahme hatten.?
Ich fasste neuen Mut und beugte mich auf dem Stuhl nach vorn. ?Also glauben Sie, dass er den Jungen get?tet hat??
Strohman stellte seinen Kaffee auf dem Schreibtisch ab und legte die H?nde in den Scho?. ?Ich bin sieben Jahre lang in Los Angeles auf Streife gegangen und habe zwei weitere im Morddezernat gearbeitet. Ich liebe diese kleine Stadt – es ist hübsch und friedvoll hier, ich habe eine Frau und Kinder, die in L.A. weit schlechter aufgehoben w?ren – und bin mir ihrer M?ngel bewusst. In den vier Jahren, seit ich hier bin, gab es nur zwei F?lle von unvorhergesehenen Todesf?llen, von denen nur einer tats?chlich Mord war: Drüben im Bird kam es zu einem Streit. F?uste flogen, bis jemand ein Messer zückte. In dieser Gegend sorgt so etwas für reichlich Trubel. Die meisten meiner Officers haben noch nie Blut gesehen, geschweige denn Mordermittlungen durchgeführt.?
Dieses Promi-Vorzeigel?cheln kehrte wieder. Er hatte perfekte Z?hne. ?Ich hingegen habe schon einige unappetitliche F?lle bearbeitet. Ich k?nnte Ihnen Dinge erz?hlen … Sie würden die ganze Nacht kein Auge zumachen, weil Sie zwanghaft auf die leisesten Ger?usche im Haus horchen müssten. Wenn es zu solcherlei Dingen kommt, naja, das ist mein t?glich Brot. Und nur weil ich mit meiner Familie hierhergezogen bin, um ein ruhigeres Leben zu führen, bedeutet das noch lange nicht, dass ich gleich alles vergesse, was ich in der Ausbildung gelernt habe, ganz zu schweigen von meiner Intuition. Diese F?higkeiten legt man nicht einfach ab wie an der Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen, wenn Sie verstehen, was ich meine.?
?Was ist mit dem Umstand, dass der Leichnam des Jungen nicht gefunden wurde??
?Ich rechne damit, dass er irgendwann im Frühjahr auftaucht, wenn der See taut. Mein Punkt ist: Ich sitze nicht hier herum, mit dem Daumen im Arsch. Ich wei?, wie man eine Untersuchung durchführt. Ich brauche niemanden wie Sie, der in meiner Schei?e schnüffelt. Comprende??
Strohman erhob sich vom Schreibtisch und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Beim Setzen quietschen die Rollen darunter. ?Also sagen Sie mir, wie kann ich Sie beruhigen??
?Abgesehen davon, den Fall wieder aufzurollen, nehme ich an??
?Das ist eine gute Stadt. Den Leuten ist besser geholfen, einen Unfalltod in Vergessenheit geraten zu lassen, als sie in den Mittelpunkt von Mordermittlungen zu stellen, die ohnehin im Sande verlaufen.?
?Das ist Bullshit.?
?Ich bin nachsichtig mit Ihnen, weil Ihr Bruder ein guter Cop und ein guter Mann ist. Ginge es um jemand anderen, k?me Dentman sofort mit seiner Anzeige durch. Lassen Sie sich das durch den Kopf gehen.? Er schaute auf seine Armbanduhr. ?Officer Cordova wird Sie jetzt nach Hause fahren.?
Kapitel 28
Nachdem wir in die Sackgasse eingebogen waren, brachte Cordova den Streifenwagen mit einer engen Drehung zum Stehen. Freers machte eine abf?llige Bemerkung über das Haus der Dentmans; offenbar war ihm entgangen, dass ich jetzt hier wohnte.
Cordova stieg aus und ?ffnete mir die Tür. Als ich drau?en stand, streckte ich meine Beine. Mein Kopf schmerzte immer noch. ?Sie haben sich am Tag, als der junge Dentman ertrank, mit Nancy Stein unterhalten, oder??, fragte ich ihn.
?Was?? Das hatte er wohl am allerwenigsten erwartet.
Ich schüttelte den Kopf. ?Ist egal.? Als ich hinüber zum Haus schaute, sah ich Adam vor der Eingangstür stehen.
?Was zum …?