Die Treppe im See(79)



Die drei blieben wenige Fu? vor mir stehen. Mein Notizblock lag gleich neben einem der schwarz gl?nzenden Schuhe im Schnee.

?Hey?, sagte der gr??ere Beamte. ?Was zur H?lle ist mit Ihnen geschehen??

?Ich erfriere hier, verdammt?, brachte ich hervor.

Der Verwalter zeigte auf mich. Er war ein kleiner fetter Widerling mit gr?sslichen Z?hnen, ein Charakter, der einem Roman von Dickens entsprungen sein mochte. ?Sehen Sie? Seine Hand? Ich sagte doch, er wurde angekettet.?

?Ich h-hei?e T-T-Trav –?

?Ich wei?, wer Sie sind.? Der gr??ere Cop war, wie sich herausstellte, Douglas Cordova, der Partner meines Bruders, den ich auf der Weihnachtsfeier kennengelernt hatte. Mit seiner bügelsteifen Uniform, dem kantigen Kinn und seinen jadegrünen Augen wirkte er glatt wie von einem Rekrutierungsposter. ?Mach ihn los?, befahl er seinem Begleiter.

Der zweite Officer kniete sich mit einem Bein in den Schnee und nestelte an seinem Gürtel, um einen Schlüssel für die Handschellen zu finden. Er wirkte weniger einschüchternd als Cordova, mit seinen schlaffen, müden Hunde-Zügen, sein praktisch nicht vorhandenes, fliehendes Kinn verlieh dem Profil eine unfertige Note. Freers stand auf seiner Namensplakette.

?Brauchen Sie einen Arzt oder so?? Freers fragte zu dicht an meinem Gesicht. Sein Atem roch nach Zwiebeln.

?Nein.?

?Sie bluten, wissen Sie das??

Ich warf einen Blick auf meine zerschnittene Hand.

?Ich meinte Ihr Gesicht?, deutete Freers.

Mit weichen Knien erhob ich mich und hielt mich dabei an der dicken Eiche fest. Meine Jeans krachte h?rbar, der Stoff war an meinen Beinen festgefroren. Ohne meinen Parka h?tte ich die Nacht sicher nicht überlebt.

?Wer hat Ihnen das angetan??, wollte Cordova wissen. Eine seiner H?nde ruhte auf der Schulter des Friedhofw?rters und die beiden sahen aus wie schlecht zusammengestellte Football-Spieler, im Begriff die K?pfe zusammenzustecken, um die n?chsten Schritte zu besprechen.

?David D-D-Dentman?, stammelte ich.

Cordovas Gesichtsausdruck ver?nderte sich nicht. Er wandte sich an seinen Partner: ?Okay, bringen wir ihn zum Wagen, bevor er zum Eiszapfen wird.?

Freers stützte meinen Unterarm und führte mich zwischen den Grabsteinen hindurch.

?Warten Sie.? Ich bückte mich kurz nach meinem Block. Ich sah mich um und hoffte, zumindest einige von Earls Beweisfotos wiederzusehen, doch sie waren verschwunden.

?Das da ist Verschmutzung des Friedhofs?, bellte der Wart mit Verweis auf mein Notizbuch. ?Für Verschmutzung des Friedhofs ist ein Strafbetrag f?llig.?

?Niemand hat irgendetwas verschmutzt?, beschwichtigte Cordova, dessen Hand nach wie vor auf der schmalen Schulter des Mannes lag.

?Ein Strafbetrag ist f?llig?, wiederholte er, obwohl sein Ton diesmal weit weniger streng klang.

?Kommen Sie?, forderte Cordova, trat neben mich und drückte mir ein paar Finger über dem Becken ins Kreuz.

?Ich denke, ich schaffe das allein, danke?, erwiderte ich.

?Au?erdem haben Sie das Gel?nde widerrechtlich betreten?, fügte der Verwalter an, als wir über den Kiesweg vom Friedhof zur Stra?e gingen, wo der Streifenwagen stand. ?Widerrechtlich!?

?H?ren Sie nicht hin?, flüsterte Cordova nahe meinem Ohr.

Freers ?ffnete die Tür zum Rücksitz und half mir hinein. ?Kopf einziehen.? Dann rief er Cordova übers Dach des Autos hinweg zu: ?Dreh die Heizung voll auf für unseren Freund, okay??

Türen schlugen zu. Cordova rückte seinen st?mmigen K?rper hinter dem Lenkrad zurecht, w?hrend sich Freers auf dem Beifahrersitz zurücklehnte. Als Cordova die Heizung einschaltete, lief mir, obwohl ich halb erfroren war, sprichw?rtlich der Schwei? in die Schuhe.

?Alles in Ordnung da hinten, Travis??, fragte er. ?Schon warm??

Da ich meinen Lippen nicht zutraute, Worte zu bilden, nickte ich schlicht mehrmals Cordovas Augen im Rückspiegel zu.

Mein Sch?del wummerte wie eine Calypso-Trommel. Ich sah die Landschaft von Westlake durchs Fenster an mir vorüberziehen, die Einkaufsmeile und die Reihen gewei?ter zweigeschossiger Wohnh?user sowie den Verkehr auf den Stra?en. An der Waterview Court fuhren wir vorbei.

?Sie haben meine Stra?e verpasst?, sagte ich durch die L?cher in der Plexiglastrennscheibe.

?Wir bringen Sie nicht nach Hause?, erkl?rte Cordova.

?Wohin dann??

Freers beugte sich zur Fahrerseite hin, wobei er mich aus dem Augenwinkel betrachtete. ?Vielleicht sollten wir ihn im Krankenhaus checken lassen. Er schlottert wie ein Tamburin.?

?Das k?nnen wir hinterher machen?, erwiderte Cordova.

?Ich wollte wissen, wohin Sie mich bringen.?

Cordovas Augen im Rückspiegel funkelten. ?Zum Revier. Strohman will sich mit Ihnen unterhalten.?

?Stehe ich unter Arrest??

?Sollten Sie??, fragte Freers zurück, drehte sich um und grinste d?mlich.

Die Entscheidung war gefallen, ich mochte den Kerl nicht.

Paul Strohmans Büro kam einer kastenf?rmigen Betonzelle gleich, deren Anstrich der Farbe abgestandenen Bieres entsprach. Weder Fotos noch irgendwelche Dienstauszeichnungen zierten die W?nde, und abgesehen von einer übergro?en Kaffeetasse sowie einem Telefon herrschte auf dem schiefen Holzschreibtisch des Polizeichefs Leere. Ein einzelnes Fenster aus drahtverst?rktem Glas mit Furnierrahmen, das ungef?hr die Ma?e eines Studentenw?rterbuches hatte, befand sich oben an der Wand hinterm Tisch. Ohne den Aufdruck an der geriffelten Türscheibe – Paul J. Strohman, Chief – h?tte ich den Raum für ein Verh?rzimmer gehalten.

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