Die Treppe im See(74)



?Du verrennst dich in dieser Sache, weil du dich damit von der Schuld an Kyles Tod reinwaschen willst.?

Mein ganzer K?rper verkrampfte sich.

?Du kannst nicht ungeschehen machen, was mit unserem Bruder passiert ist?, bemerkte er knapp. ?Egal wie viele erdachte Verbrechensf?lle du l?st, und ob du tausend Bücher darüber schreibst oder nicht – es steht nicht in deiner Macht, Kyles Unfall ungeschehen zu machen.? Er legte eine Pause ein. ?Jetzt zerst?rst du deine Ehe, um Fehler auszumerzen, die du in der Vergangenheit gemacht hast. Siehst du nicht, dass du in einen Teufelskreis geraten bist??

Ich konnte keine Antwort geben.

?Travis?? Seine Stimme klang unendlich weit weg; als spreche er vom Mond zu mir.

Als ich mich von dem Foto abwandte, gluckerte giftiger Sud in meinem Magen.

Adam erhob sich und stapelte die Bilder aufeinander. Dann sah er auf die Uhr und kaute erneut an seiner Lippe. ?Geh nach Hause. Lass dir meine Worte durch den Kopf gehen. Falls einige davon einen Sinn ergeben, sobald du morgen früh ausgenüchtert bist, kannst du Jodie anrufen, wie w?re das??

Ich nickte benommen, richtete mich auf und nahm die Fotos vom Tisch. Adam begleitete mich zur Tür, meine Stiefel schmatzten und hinterlie?en auf dem Boden nasse Spuren. Ich rollte die Bilder zusammen. Meine H?nde schwitzten stark.

?Geh?, verabschiedete er sich beim ?ffnen der Tür. ?G?nn dir ein wenig Schlaf.?

Ich trat ins Dunkle. Mein Schatten erstreckte sich vor mir in dem eckigen Paneel weichen Lichtes, das sich aus dem Haus ergoss. W?hrend ich über die vereiste Auffahrt stakste, hallte das Ger?usch, als Adam die Tür wieder schloss, durch die Sackgasse.

Ich zitterte.

Es war ein Fehler hierherzuziehen. Wir h?tten im Norden Londons bleiben sollen. Mit Adam habe ich mich schon immer übers Telefon besser verstanden.

Beim überqueren der Stra?e zog ich meinen Parka fester zusammen und duckte mich vor dem bei?enden Wind. Irgendwo rechts von mir blitzten Scheinwerfer auf, die mich einen Moment lang mitten auf der Fahrbahn wie ein Reh einfroren. Ich machte die kantige Karosserie eines Pickups aus, der langsam am Bordstein vorfuhr. Es war ein altes, zweifarbiges Modell, und als ich mich der Fahrerseite n?herte, roch ich die stinkenden Abgase aus seinem Auspuff.

Jemand kurbelte die Scheibe hinunter.

Am Steuer sa? David Dentman.





Kapitel 26




?Steigen Sie in den Truck?, forderte Dentman. Die einzige Lichtquelle in der Kabine war das glühende Ende seiner Zigarette.

?Was machen Sie hier?? Ein eisiger Finger fuhr an meinem Rückgrat hinab.

?Ich suche Sie.? Er reckte sich über den Beifahrersitz und ?ffnete die Tür, woraufhin die Deckenlampe anging und tiefschwarze Schattenkleckse über sein Gesicht huschten.

?Nein, wir k?nnen auch hier drau?en reden.?

?Gott, Glasgow, seien Sie nicht so eine *. Ich werde Ihnen nichts tun. Jetzt steigen Sie schon ein.? Er klang, als sei er dieses Gepl?nkel leid.

Es war ein d?mlicher, vermutlich kolossaler Fehler, jener Art, welcher ein Kinopublikum dazu verleitet, den arglosen, aber wohlmeinenden Protagonisten mit unfl?tigen Namen zu bedenken. Aber ich entschied mich nicht grundlos dazu. Als ich vorne um Davids Wagen ging, streiften mich die Scheinwerfer kurz. Schlie?lich stieg ich auf der Beifahrerseite ein. Im Bewusstsein, dass ich die Fotos noch in der Hand hielt, stockte mein Atem. Gerade weil ich sie zu einem R?hrchen zusammengerollt hatte, fielen sie besonders ins Auge; genauso gut h?tte ich sie ihm direkt unter die Nase halten k?nnen.

Im Pick-up stank es nach Terpentin, Tabak, Whiskey und Schwei?. Aus n?chster N?he roch ich nun auch Dentman selbst – maskulin und stark – beinahe tierisch.

Dentman legte den ersten Gang ein und gab Gas. Die Maschine heulte auf und brachte den Wagen zum Schlingern. Es klang, als stecke der Motor eines Panzers unter der Haube.

?Ich dachte, Sie wollten sich nur mit mir unterhalten?, erinnerte ich.

Die Scheinwerfer schnitten gleich einer Klinge in die Finsternis, w?hrend er den Wagen auf die Spur brachte und auf die erste Abzweigung zufuhr. Ich beobachtete, wie der Tacho erst fünfzig, dann fünfundfünfzig, sechzig und mehr anzeigte, weshalb ich nach dem Sicherheitsgurt tastete, aber keinen vorfand. Yeah, wirklich schlau.

Dentman hockte l?ssig hinterm Steuer, das er in zwei fleischig dicken F?usten hielt. Sein gewaltiger K?rper füllte den Sitz zur G?nze aus, wobei er den Kopf leicht seitlich neigte, um die düstere, schmale Stra?e im Auge zu behalten, die er unter den Neandertaler-Augenbrauen fixierte.

?Wir befinden uns in einer Ortschaft?, erinnerte ich ihn.

Seine Seitenansicht zeigte mir ein angedeutetes L?cheln.

Wind blies durch die offene Scheibe auf seiner Seite, die Temperatur im Wagen sank. Die Luft, die durch den gerollten Sto? Fotos in meiner Hand fuhr, fl?tete absonderlich. Ich versuchte, sie durch schiere Gedankenkraft unsichtbar zu machen. Bitte, bitte, bitte.

Dentman bedachte die Bilder mit einem nichtssagenden Blick und kurbelte die Scheibe hoch, vielleicht weil ihn das Pfeifen nervte. ?Sie stinken wie eine Schnapsbrennerei?, bemerkte er nach einer Weile, dabei schnüffelte er wie ein Bluthund.

Der Pick-up zuckelte die Stra?e entlang, w?hrend der Motor unter der Haube rumorte. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bevor die Türen vom Fahrgestell abfielen.

?Was wollen Sie??, fragte ich.

??ffnen Sie das Handschuhfach.?

?Nein, danke.?

?Los.?

Widerwillig gehorchte ich. Es klappte wie ein Mund auf, und ein kleines orangefarbenes Licht strahlte auf meinen Scho?. Drinnen lag nur ein Gegenstand, angesichts dessen ich mehrmals blinzeln musste, bis ich mir sicher war, dass es sich wirklich genau darum handelte. Nein, ich hatte mich nicht versehen: Es war eine Taschenbuchausgabe von The Ocean Serene.

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