Die Treppe im See(63)



?Wenn Sie l?nger bleiben und plaudern wollen, mein Freund, dann h?ren Sie lieber auf, so verdammt h?flich zu sein. So was brauche ich nicht. Das ist l?cherlich.?

?Verzeihung. Ich werde versuchen mich ungehobelter auszudrücken.?

Althea r?usperte sich, was etwas l?nger dauerte. Abgesehen vom durchdringenden Rasseln ihrer verschleimten Bronchien k?mpfte sie mit Tr?nen, die schlie?lich an den Konturen ihres Gesichts hinunterliefen. Ihren Sch?del unter der dünnen, straffen Haut auszumachen, war erschreckend einfach. Schlussendlich, ihre Luftr?hre klang wieder frei und sie wischte die fehlgeleiteten Tr?nen mit beiden Handrücken weg, sprach sie weiter: ?Wie kommt es nun, dass Sie eine seltsame Lady besuchen, der Sie nie zuvor begegnet sind??

Ich hatte mir die Konversation penibel zurechtgelegt, um Althea gespr?chig zu machen, wie zuvor Ira und Nancy … doch als ich die Frau ansah, wurde mir schlagartig bewusst, dass sie meine Lüge ohne Weiteres durchschauen würde. Sie kann geradewegs in den Abgrund meiner Seele blicken, dachte ich und zweifelte nicht im Geringsten daran.

?Glauben Sie an Geister?? Ich wusste nicht, was ich sagen würde, bis ich die Worte ge?u?ert hatte. Seit wir nach Westlake gekommen waren, musste ich diese Frage irgendwo anbringen, doch erst jetzt glaubte ich, die richtige Person gefunden zu haben, die eine Antwort darauf wusste.

?Geister??, hakte Althea nach, als habe sie sich verh?rt.

?Ja?, best?tigte ich. ?Ich wei?, das klingt verrückt.?

?Sie sind doch kein Polizei Officer, oder doch??

?Nein?, sagte ich und dachte an: Sind Sie ein Bulle? Hat Strohman Sie geschickt? ?Ich bin Schriftsteller.?

?Ein Schriftsteller, der eine alte Frau über Geister ausfragt??

Ich l?chelte wohlwollend und rieb mir die H?nde zwischen den Oberschenkeln. ?Wissen Sie, was Elijah Dentman zugesto?en ist? Er ertrank letzten Sommer im See hinterm Haus.?

?Ich las es in der Zeitung.? Sie starrte ihre krummen Finger auf der Bettdecke an. Ihre Kn?chel sahen aus wie Knoten eines Galgenstricks.

?Das Unglück besch?ftigt mich?, lie? ich sie wissen. ?Die Tatsache, dass man seine Leiche nicht gefunden hat, l?sst mich nicht los. Die Schludrigkeit von Westlakes Gesetzeshütern bei den Ermittlungen halte ich für unerh?rt. Was dem Jungen zugesto?en ist, geht über einen Unfall hinaus, aber ich kann es nicht beweisen, also bin ich hergekommen, um mich mit Ihnen zu unterhalten.?

?Und was glauben Sie, k?nnte ich Ihnen sagen??

?Ehrlich gesagt, wei? ich es nicht. Vielleicht nichts. Allerdings kann es sein, dass Sie etwas wissen, dessen Wichtigkeit Sie nicht bemerkt haben – etwas, das ich dem, was ich bisher herausgefunden habe, zufügen kann, um das Puzzle zu vervollst?ndigen.?

Althea schaute mich emotional ungerührt an. Falls sie nach meinen Ausführungen etwas fühlte – überhaupt irgendetwas –, bezeugte ihre Miene es nicht. ?Seien Sie so gut und ?ffnen Sie die Jalousie, bitte?, sagte sie letztlich im tr?gen Ton.

Ich stand auf und trat vors Fenster. Ein Plastikrohr, das ungef?hr so dick wie ein Kugelschreiber war, pendelte an der Seite. Ich drehte daran, bis sich die Lamellen ?ffneten, dann schob ich sie von der Scheibe fort. Drau?en schien weder die Sonne, noch raubte ein strahlend blauer Himmel den Atem; nur dichte Quellwolken zogen mü?ig vorbei. Die Landschaft wirkte ausgeh?hlt und farblos wie in einem alten Schwarz-Wei?-Film. Ich sah mein Auto auf dem Parkplatz. Darüber zwei Falken, deren Nest ich zuvor am Sims entdeckt hatte. Sie kreisten nun scheinbar hungrig in der H?he, als warteten sie auf das Ableben ihrer Beute – meines Hondas?

Als ich mich umwandte, besah Althea einmal mehr das Foto ihres Sohnes auf dem Nachtschrank. ?Was genau schreiben Sie??

?Romane.?

?Welcher Art??

?Eher düsteres Zeug. Horrorbücher. Mystery. Menschen, die Gespenster aus der Vergangenheit hinterher jagen, sowohl wortw?rtlich als auch im übertragenen Sinn.?

Desinteressiert versuchte sie sich zur Seite zu lehnen, um es sich einigerma?en bequem auf den Kissen zu machen. Ich würde sagen, dass es ihr Schmerzen verursachte. ?Ich pers?nlich?, sprach sie dann, ?bevorzuge Liebesromane. Haben Sie jemals etwas Romantisches geschrieben? Eine Lovestory??

?Auf diese Art beginnen alle?, antwortete ich, und es entsprach der Wahrheit. Althea schaute aus dem Fenster. Ob sie das Wetter entt?uschte oder genau dieses erwartet hatte, konnte ich nicht sagen. überhaupt schien diese Frau nur schwer fassbar zu sein.

?Ich wei? nicht, was Sie sich von unserem Gespr?ch erhoffen?, gab sie nach einer Weile zu bedenken.

?Wie lange haben Sie Elijah unterrichtet??

?Etwas l?nger als einen Monat. Das County hat mich dazu beauftragt, vermutlich nachdem irgendwem aufgefallen war, dass es dort einen Jungen im schulpflichtigen Alter gab. Jedenfalls nahm man seine Mutter unter die Lupe.?

?Veronica.?

?Ja, Veronica.?

?Kannten Sie ihren Vater Bernard Dentman? Soweit ich wei?, kehrte Veronica mit ihrem Bruder David nach Westlake zurück, um ihn bis zu seinem Tod zu pflegen.?

?Das deckt sich mit dem, was mir zu Ohren kam, aber ich kannte den Mann nicht, denn er war schon tot, als ich dort anfing.?

?Weshalb blieben Sie nur einen Monat??

?Weil mir der Krebs zunehmend zu schaffen machte.?

?Tut mir leid.?

?Und au?erdem konnte ich nur wenig bei dem Jungen ausrichten.?

?Wieso??

?Er war anders.?

Ich entsann mich der Beschreibung, die Adam mir nachts nach der Weihnachtsfeier gegeben hatte, Elijah war geistig ein wenig zurückgeblieben, weshalb er Heimunterricht bekam …

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