Aschenpummel (German Edition)(21)
Dort drückte er auf irgendeinen Zauberknopf, der mir bis dahin verborgen gewesen war, und im nächsten Moment klackte die Motorhaube einen Spalt weit auf. Er startete den Motor und ließ ihn einige Male aufheulen. Dann stieg er aus und öffnete die Haube zur Gänze.
Ich verzog mich auf den Gehsteig und lehnte mich an die Hausmauer, wobei ich versuchte, möglichst lässig auszusehen. Mein Herz klopfte zum Zerspringen. Während der nächsten Viertelstunde hatte ich genügend Zeit, den Zahnarzt zu beobachten. Er war mit Eifer bei der Sache, schien sich nicht daran zu stören, dass sein weißes Poloshirt schwarze Flecken bekam, und fluchte nur ganz leise, als er sich die Finger einklemmte.
Dunkelblonde Haarsträhnen hingen in seine Stirn, auf der mittlerweile Schweißtropfen standen. Ein Bild von einem Mann. Wenn einer mein Auto in Schuss kriegen konnte, dann er, davon war ich überzeugt. Der Mechaniker hatte gemeint, dass mein Fiat einfach ein alter, irreparabler Kübel sei. Ha, der hatte noch nicht Bekanntschaft mit dem Zahnarzt gemacht.
Zwei junge Mädchen mit sehr dünnen Beinen wackelten an mir vorbei, und als ich die Blicke sah, die sie auf Strohmann warfen, fühlte ich wieder diesen unvernünftigen Stolz in mir aufsteigen, den ich schon heute Vormittag in seiner Begleitung verspürt hatte. Ich wünschte, der Pirat würde vorbeikommen, meine Bekanntschaft mit dem Superstar müsste selbst auf ihn Eindruck machen.
»Frau Kis, ich fürchte, da ist nichts zu machen.«
»Nichts?«, wiederholte ich fassungslos. »Bitte, ich –«, doch diesen Satz konnte ich nicht beenden, was hätte ich denn sagen sollen? Dass ich mich zu Tode fürchtete? Vor Mama?
Doch Strohmann bemerkte offensichtlich meine Bestürzung. Er lehnte sich neben mich an die Hausmauer und sagte: »Schauen Sie, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich habe einen alten Peugeot in meiner Garage stehen. Baujahr 98, hat nicht viele Kilometer drauf. Kein schlechtes Auto, guter Zustand, aber er verstellt mir den Platz, und ich wollte ihn ohnehin loswerden.«
Ich schüttelte den Kopf. Heftig. Nie würde ich mir dieses gute Auto mit den wenigen Kilometern leisten können. Und selbst wenn, wie sollte ich denn damit fahren?
Strohmann lächelte mich an. Er hatte diese wunderbare Angewohnheit, beim Lächeln die Augen sanft zuzudrücken, ganz kurz nur, doch es flößte sofort Vertrauen ein. »Ich schenke Ihnen den Wagen«, sagte er.
»Nein«, rief ich erschrocken. »Warum sollten Sie? Ich meine –«
»Warum nicht?«, konterte er. »Wie gesagt, der Peugeot verstellt mir den Platz. Außerdem habe ich weder Zeit noch Muße, seinen Verkauf zu inserieren oder sonstige Anstrengungen in dieser Angelegenheit zu unternehmen.« Er zuckte mit den Schultern und sah auf einmal fast schüchtern aus. Aber das bildete ich mir sicher nur ein. »Sie würden mir einen Gefallen tun, wenn Sie ihn annehmen.«
Warum machte er das? Was wollte er von mir? Ich musste ihm trotzdem Geld dafür anbieten. Zweitausend hatte ich auf der Seite. Wenn ich dazu noch die ganzen Münzen aus meinem Schuhkarton nehmen würde, dann käme ich auf –
»Er hat eine Gangschaltung, oder?«, platzte es plötzlich aus mir heraus. Ich hätte mich für meine Unverfrorenheit in den Hintern beißen können, aber was sollte ich machen, diese Frage war von existenzieller Wichtigkeit für mich.
»Er hat eine Gangschaltung, ja. Ist das ein Problem?«
»Es … es tut mir so leid, Sie sind so dermaßen nett zu mir und ich – es tut mir leid, die Sache ist nur die … ich kann mit Gangschaltung nicht fahren.«
»Ach, das verlernt man nicht, das ist wie Fahrrad fahren.«
Ich wollte ihn nicht zusätzlich schockieren und verschwieg, dass ich noch nie in meinem Leben auf einem Fahrrad gesessen hatte. »Ähm«, machte ich stattdessen, »ähm, ich bin seit meiner Führerscheinprüfung vor acht Jahren nur mehr mit Automatik gefahren.«
Da war es wieder, das Vertrauen erweckende Lächeln, der sanfte Lidschlag. »Das kriegen wir schon hin. Ein paar Fahrstunden bei mir, und Sie sind Formel-1-tauglich.«
Ich musste lachen. Verschämt senkte ich den Kopf. Dann fiel mir ein, dass Männer es mochten, wenn Frauen selbstbewusst waren, also hob ich den Kopf wieder und ging sogar so weit, beim Lachen zwei Reihen Mäusezähnchen zu zeigen. Strohmann stutzte, ich erinnerte mich an seine Profession und klappte sofort den Mund zu.
»Fahrstunden«, sagte ich schließlich.