Aschenpummel (German Edition)(20)
Acht Minuten brauchte ich, um aus der Parklücke zu kommen, zweimal stieß ich an das rote Auto an und einmal an das gelbe. Noch dazu wartete schon irgend so eine Riesenkiste auf meinen Parkplatz. Du Idiot, kannst du nicht weiterfahren, die Lücke ist sowieso viel zu klein für dich! Gott! Ich hasste nichts mehr auf der Welt, als beim Ausparken beobachtet zu werden, nur Einparken war noch schlimmer.
Als ich es endlich auf die Fahrbahn geschafft hatte, wusste ich nicht, wen ich zuerst totschlagen sollte, mich oder mein Auto. Ich war die verdammt noch mal arschschlechteste Ausparkerin der Welt!
Und die verdammte Schrottkarre hatte in diesen paar Minuten schon dermaßen viele verdächtige Geräusche von sich gegeben, dass ich eigentlich gar nicht mehr weiterfahren brauchte, um zu wissen, dass die paar Ruhetage ihm nicht geholfen hatten, seine Macken auf die Reihe zu kriegen! Ich trat das Gaspedal beinahe durch und mein Auto fuhr ganze dreißig. Shiiiiit! Ich hätte losbrüllen können.
Hinter mir hupte es. Die Riesenkiste. Ja, verdammt, wusst’ ich doch, dass du nicht in die Lücke passt, Arschloch! Ich kann nicht schneller, siehst du das nicht, es geht nicht! Die Kiste hupte noch einmal. Ich starrte in den Rückspiegel und gestikulierte wild nach hinten. Der Typ in dem Wagen gestikulierte zurück. Ich zeigte ihm den Mittelfinger, und um meinen Standpunkt wirklich deutlich zu machen, wackelte ich mit dem ganzen Arm auf und ab. Das Fett am Oberarm wackelte mit und ich wurde noch wütender. »Arschloooch!«, brüllte ich und bog in die nächstbeste Gasse rechts ein, um den Idioten loszuwerden. Er bog ebenfalls ab. Ich fluchte weiter und fuhr an den Straßenrand, er stellte sich hinter mich. Ich schnappte nach Luft. Scheiße, dieser Vollbimpf will sich mit mir anlegen. Na warte!
Herrlich, wie mutig Wut machen kann. Ich stieß meine Tür auf, sprang aus dem Fiat und – stand dem Zahnarzt gegenüber.
»Schönes Auto«, murmelte ich. Aliens, bitte kommen.
Er dirigierte mich auf den Gehsteig. Hatten wir das heute nicht schon mal? Seine Augen blickten ernst auf mich herab. Ja, Herr Doktor, ich leide sicher am Tourette-Syndrom, ja, lassen Sie mich einweisen. Ich wusste, ich sollte mich entschuldigen, war aber viel zu trotzig dazu, also blickte ich einfach genauso ernst zurück. Mein Mund war verkniffen, seiner hingegen zuckte plötzlich. Und dann lachte er laut auf. Natürlich hätte ich einfach mitlachen sollen, wie es sich im Zwischenmenschlichen so gehört. Doch ich konnte nicht, die Wut auf ihn und der Kummer wegen meines Autos und die Angst vor morgen lähmten mich. Trotzdem wollte ich dem Zahnarzt gefallen. Ich wollte jedem Mann gefallen. Also gab ich mir einen Ruck und kicherte so gut es ging mit. Er wischte sich die Lachtränen von den Wangen und sagte: »Sie haben ganz schön Feuer in sich.«
Das Kichern wurde von einem debilen Teenagergrinsen abgelöst. Himmelschimmel, der wird noch glauben, du bist total verknallt in ihn! Es war aber auch fies für eine Frau, die sonst nie von Männern bewundert wurde, ausgerechnet von so einem Mann ein Kompliment zu bekommen. Als würde ich nicht im Übungsbecken schwimmen lernen, sondern direkt im offenen Meer. Gleichzeitig ärgerte es mich, dass ich so gar keine Souveränität und anscheinend auch null Stolz besaß. Also versuchte ich, zum Trotzgefühl von vorhin zurückzufinden. »Es war aber auch nicht nett von Ihnen, so zu hupen. Mein Auto macht Probleme, wissen Sie.«
»Natürlich weiß ich das. Das hätte ja jeder Blinde gemerkt. Darum habe ich ja gehupt. Ich habe Sie beim Einsteigen gesehen, wusste also, dass Sie es waren, und habe Ihnen bedeutet, dass Sie rechts ranfahren sollen, damit ich mir Ihr gutes Stück ansehen kann.«
»Ach so«, hauchte ich. Das dumme Grinsen würde ich wohl nie mehr loswerden. Strohmann rieb sich die Hände. »Wenn ich Sie jetzt bitten dürfte, die Motorhaube zu öffnen.«
»Mmhm«, machte ich und ging voraus. Die Motorhaube war vorne, das wusste ich, denn hinten war ja der Kofferraum. Ich stellte mich also vor mein Auto und begann dort herumzufummeln, wo ich es für richtig hielt. Der Zahnarzt kam an meine Seite. Er nahm meine rechte Hand in seine und zog sie zu sich. Seine Haut fühlte sich rau und männlich an. Ich sah zu ihm hoch, und es war, als durchdringe sein Blick jede Pore meiner Haut. Fast hätte ich panisch an mir heruntergesehen, um mich davon zu überzeugen, dass ich noch angezogen war.
So fühlte es sich also an, wenn man im Begriff war, einen begehrenswerten Mann zu küssen. Mitten auf der Straße.
»Darf ich?«, fragte er sanft, und ich schluckte und nickte ergeben – ich würde den Piraten ja nicht betrügen, sondern nur ein bisschen für ihn üben –, dann schloss ich die Augen und öffnete leicht die Lippen. Der Zahnarzt nahm mir den Autoschlüssel ab, den ich in der rechten Hand gehalten hatte, ging zum Fiat und setzte sich auf den Fahrersitz.