Aschenpummel (German Edition)(25)



Ich nahm mir ein paar Erdnüsse aus dem Schälchen, das vor mir stand, und überlegte grade, wie riesig wohl mein Hintern auf dem Hocker aussehen mochte, da bewegte sich auch schon der Barkeeper auf mich zu.

»Was bekommst du?«, brüllte er.

»Eine Cola Light!«, brüllte ich zurück.

Er wackelte mit dem Zeigefinger. »Keine Limonaden!«

»Aha! Was denn dann?«

Von irgendwoher zauberte er eine Karte herbei, und ich betete darum, dass ich was Essbares drin finden würde.

Nichts. Nicht mal einen Schinken-Käse-Toast und dabei hatte ich mal gehört, dass es in jedem Lokal zumindest Schinken-Käse-Toasts gab. Keine Limonaden. Einen Espresso könnte ich nehmen. Oder ein Mineralwasser.

Oder Alkohol.

Ich spähte nach links und rechts, warf sogar einen Blick hinter mich. Keine Tissi da und keine Mama. Natürlich nicht, warum sollten sie auch. Doch mir war, als würde ich ihr Kommen quasi heraufbeschwören, wenn ich nur daran dachte, mir Alkohol zu bestellen. Mama würde mich vierteilen lassen. Ich ging die Cocktails auf der Karte durch. Meine Wahl fiel auf den Long Island Ice Tea, weil ich gerne Eistee trank und ich mir vorstellte, dass in einem solchen Getränk nicht viel Alkohol sein würde.

»Einen Long Island Ice Tea, bitte!«, brüllte ich den Barkeeper an, der neben seinem Ohr einen silbernen Becher schüttelte. Wie im Fernsehen. Dass es so was in Wirklichkeit gab? Ich musste grinsen.

Der Drink kam und ich nahm gleich einmal drei große Schlucke durch den Strohhalm. Langsam fühlte ich mich hier richtig wohl. Ich fand, dass ich durchaus öfter in Bars gehen sollte. Leutselig betrachtete ich meine Sitznachbarn. Links von mir thronte eine vollbusige Blondine, die an einem Getränk nippte, das nur aus Eiswürfeln und grünen Blättern zu bestehen schien. Rechts von mir saß ein etwa vierzigjähriger Mann mit Halbglatze und Anzug, in dessen Glas eine Olive schwamm.

Ich wandte mich nach links. »Was bedeutet eigentlich Einrahmen?« Die Blondine stutzte für einen Moment, dann nahm sie eine Zigarette aus ihrer Handtasche und zündete sie an. Ich nahm einen langen Schluck von meinem Ice Tea und wandte mich nach rechts.

»Na, sehr gesprächig sind die Frauen hier drin ja nicht gerade«, sagte ich zu Halbglatze und stupste ihn mit meinem Ellenbogen an. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dann beugte er sich zu mir rüber und flüsterte: »Tauschst du den Platz mit mir?« Ich wusste zwar nicht, was das bringen sollte, aber ich wollte mir gern Freunde machen, also tauschte ich. Ab da bekam ich nur noch Halbglatzes Rücken zu sehen, seine Augen steckten im Ausschnitt der Blondine.

Ich trank einen weiteren großen Schluck. Die Welt war plötzlich eine viel schönere. Alles war so … so easy, so einfach, so groovy. Wozu sich ständig den Kopf zerbrechen? Der Ice Tea machte die Sache mit dem »wurscht« um so vieles leichter.

»Jetzt werd ich mal für kleine Mädchen«, murmelte ich vor mich hin. Dem Rücken von Halbglatze drohte ich: »Dass mir nur ja keiner meinen Ice Tea wegtrinkt.« Mann, ich war so mitten drin im Geschehen, es machte so Spaß dazuzugehören.

Allerdings dauerte es einige Zeit, bis ich das Klo fand, und als ich endlich auf der Muschel saß, war mir so schwindelig, dass ich mich links und rechts an der Wand abstützen musste, um nicht runterzufallen. Mir war schlecht, und gleich nachdem ich meine Blase entleert hatte, entleerte sich auch mein Magen. Spaghetti, Erdbeereis, Long Island Ice Tea. Und dazwischen schwarze Pünktchen. Der Mohn. Ich kotzte gleich nochmal. Mama hatte recht, Alkohol war Teufelszeug.

Von draußen hämmerte es an die Klotür. »Komm endlich raus, andere müssen auch mal!«

»Ja«, stöhnte ich und würgte wieder.

»Andere müssen auch mal!«

»Ja doch!«

»Andere müssen auch mal!«

»Ja«, kreischte ich. Dann riss ich die Tür auf. Zwei Mädchen, die allerhöchstens vierzehn sein konnten, drängten sich an mir vorbei in die Kabine. »Igitt«, sagte die eine, während die andere kicherte.

»Maul halten, Tussies«, fuhr ich die beiden an. »Geht doch heim zu eurer Mami.«

Ich stieß die Tür zum Lokal auf und walzte mir meinen Weg durch die Menge. Ich war so wütend. Jemand boxte mich in die Seite. Ich fuhr herum und starrte in die Augen von irgend so einem Bodybuilder. »Was?«, brüllte ich angriffslustig. »Was willst du von mir? Mich blöd anlabern? Einen auf dicke Hose machen? Mich umbringen?«

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