Aschenpummel (German Edition)(26)



Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Ich duckte mich und floh in Richtung Ausgang. Eine Kellnerin packte mich an der Schulter.

»Zahlen!«

»Jaaaaa«, machte ich und stolperte zurück zur Bar. Dort schüttete ich mir das ganze Schälchen Erdnüsse in den Mund. »Zahlen«, blaffte ich den Barkeeper an. Auf meinem Hocker saß eine schwarzhaarige Schönheit.

»Du weißt schon, dass das mein Platz ist, oder?« Sie reagierte nicht, also wurde ich noch lauter: »Du hast dich einfach auf meinen Platz gesetzt!«

Sie lachte. Da stieß ich sie runter. Im nächsten Moment stand ich auf der Straße, und der Bodybuilder raunte mir zu: »Lass dich hier nie wieder blicken. Alkoholikerin!«

»Ha!«, machte ich. »Ich hab in meinem Leben noch nie was getrunken, du Arsch!«

Er zuckte nur die Schultern und verschwand im Einrahmen. »Ja, du Arsch, verzieh dich zu deiner Freundin! Du feiger Arsch!«, brüllte ich ihm nach.

In dem Moment sah ich den Piraten.

Er war gerade um die Ecke gebogen und kam direkt auf mich zu. Es fühlte sich an, als müssten mir gleich die Augen rausfallen, so weit riss ich sie auf. Das war mein Zeichen. In der größten Not, im tiefsten Schmerz, als Entrechtete, die von der Gesellschaft gemieden und von der Gemeinschaft verstoßen war, kam mein Licht, meine Rettung … ausgerechnet in Gestalt des Piraten. Wieder wurde mir schwindlig, diesmal vor Romantik, und ich musste mich gegen die Hausmauer lehnen. Heiße Tränen der Dankbarkeit stiegen mir in die Augen – und versiegten, als der Pirat einfach an mir vorbeiging.

Es war tatsächlich so. Keinen halben Meter von mir entfernt marschierte er an mir vorbei, dann überquerte er die Straße und steuerte direkt auf sein Haus zu. Er hatte mich nicht gesehen! Das konnte doch nicht wahr sein!

Ich sah, wie er das Schloss aufsperrte. Halt! Halt! Der konnte doch nicht einfach … mach was, Teddy!

»Halt!«, schrie ich und rannte über die Straße.

Er drehte sich um. »Oh«, sagte er.

»Ja«, antwortete ich.





7



Es gibt Situationen, in denen selbst redselige Menschen verstummen. Dies war so eine, und der Pirat und ich, die wir beide eher generell auf den Mund gefallen waren, schwiegen uns minutenlang an. Das war der Moment, in dem ich mir wünschte, ich hätte zwei Long Island Ice Teas getrunken. Oder mir zumindest nach dem Kotzen und den Erdnüssen einen Kaugummi in den Mund gesteckt.

Und es war der Moment, von dem ich wusste, dass er unsagbar wichtig für meine gemeinsame Zukunft mit dem Piraten sein würde. Was ich jetzt sagte, könnte den Ausschlag zum Wunder geben. Oder zur Tragödie.

»Ich wollte nur wissen, ob Sie am Montag wieder geöffnet haben.« Goooott, was für eine Tragödie!

»Ja«, sagte er.

»Aha«, machte ich. Und fügte gleich noch souverän hinzu: »Gut.«

»Ja.«

Er spielte mit seinem Schlüsselbund herum. Bitte nicht gehen, bitte nicht gehen, bitte nicht –

»Ich …«, begann ich in meiner Not, »ich hab nämlich gestern ein Buch bei Ihnen gesehen, eine … eine ganz alte Ausgabe von Jane Eyre und ich wollte sie kaufen, aber … naja, mein Schwächeanfall …«

»Ja.« Er nickte. Und dann, als würde ihm plötzlich etwas einfallen, fragte er: »Und wie geht es Ihnen heute?«

»Guuuut«, log ich. »Sehr, sehr gut.« Mit dem Zeigefinger deutete ich auf die andere Straßenseite. »Ich war was trinken, mit ein paar Freunden, da im, äh … Einrahmen. Nettes Lokal, Long Island Ice Tea und so …«

»Ich bin auch manchmal dort«, sagte er. »Aber bis jetzt war ich immer alleine da.«

Mein Herz sackte ab, rutschte durch meinen Bauch, mein Becken, dann teilte es sich und landete in zwei Hälften in meinen Füßen. Er war einsam. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Es war wie eine Offenbarung. Es war, als hätte Gott die Liebe nur aus diesem einzigen Grund geschaffen. Für den Piraten und mich.

Der Pirat räusperte sich. »Mit meinen Freunden treffe ich mich immer innerstädtisch.«

»Mmhm«, antwortete ich und fragte mich, ob sich mein Herz wohl jemals wieder zusammensetzen ließ.

»Wegen Jane Eyre –«, sagte er plötzlich, »wenn Sie es gleich haben möchten, dann können wir jetzt ins Geschäft fahren.«

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