Aschenpummel (German Edition)(15)



»Ich gehe dann also jetzt …«

»Häh? Aha. Ja, ja.«

»Meine Güte, sie denkt nur noch an den Zahnarzt. Tssssss.« Bonnie-Denise sah mich bekümmert an. »Als Freundin gebe ich dir folgenden Rat: Mach dir keine Hoffnungen, Teddy. Der spielt in einer anderen Liga.«

»Danke, Bonnie-Denise. Danke für deine Ehrlichkeit.«

»Nichts zu danken, Teddy. Du kannst dich immer auf mich verlassen. Ich meine, was würde es bringen, sich in Sachen Attraktivität was vorzumachen. Das würde dich nur unglücklich machen. Such dir einen netten, gemütlichen Mann, der zu dir passt. So einen wie den Herrn Wagenleithner. Der besitzt immerhin eine Sache, die du gern haben willst. Und er mag dich. Auch wenn es in seinem Laden stinkt, dass man am liebsten in Ohnmacht fallen würde.«

In der Tierhandlung von Herrn Wagenleithner stank es tatsächlich. Nicht, dass mich das stören würde, denn ich durfte mich dort sowieso nicht mehr blicken lassen. Seit Anfang dieses Sommers. Seit er sich Batman als Wachhund zugelegt hatte und ich die Frechheit besaß, den Hund zu mögen. »Die ewige Streichelei macht den Bädmän weich«, hatte er sich aufgeregt, also ging ich nur mehr heimlich rüber.

Batman hatte anfangs einige Aufregung in der Straße verursacht. Immerhin lag er auf einer Fußmatte mitten auf dem Gehsteig herum. »Ich kann den Bädmän nicht anleinen. Wie soll er mich sonst bewachen?«, hatte der Wagenleithner den Inhabern der umliegenden Geschäfte erklärt. Worauf der Juwelier ihn gefragt hatte, was ein Hund denn in einer Tierhandlung groß bewachen sollte. Darauf hatte der stolze Besitzer keine Antwort gewusst. »Er ist ein belgischer Schäferhund. Das sind die besten Wachhunde der Welt«, hatte er lediglich eins draufgesetzt.

Soweit ich es in den Wochen danach mitbekommen hatte, gehörte Batman wohl eher zur faulen Sorte bester Wachhund. Und auch an seinem Fell hatte Wagenleithner plötzlich alles Mögliche auszusetzen gehabt. Es war angeblich nicht glatt genug. Der Rasse nach hätte Batman aussehen sollen wie ein langhaariger schwarzer Wolf, wirkte aber eher wie lockiges Schaf. Mir war das egal. Ich mochte ihn genauso wie er war.

Doch sein Herrchen mochte mich garantiert nicht. Und das war Be-Des Meinung nach also der beste Partner, den ich kriegen konnte. Plötzlich juckte es sogar in den Ohren und dann in den Augen.

»Bis Montag also«, sagte ich und schlüpfte hinter den Vorhang. Ich versuchte, die Kränkung nicht an mich ranzulassen, redete mir ein, dass Bonnie-Denise einfach nur jung war, zu unreif, um zu wissen, dass es nicht aufs Aussehen ankam. Doch wem machte ich was vor? Ich hatte diese Erfahrung doch selbst immer gemacht. Nie hatte sich ein Mann für mich interessiert. Und selbst der Kuss in der Trafik, damals als ich einundzwanzig war und in der Blüte meines Lebens stand, war nichts anderes als ein Versehen des Küssers gewesen, der zu diesem Zeitpunkt nicht nur zugedröhnt war, sondern außerdem noch Mitte fünfzig.

Als ich in den Verkaufsraum zurückkam, fand ich die kleine Melli mit einem riesigen Schokoeis auf der Bank vor, so sportlich hüpfend, dass die Federn krachten. Der Eifer ließ ihren Mund weit offen stehen, so dass eine stattliche Menge braun gefärbter Speichelfäden ihren Weg über Mellis Kinn und ihr Kleidchen auf die Bank fanden. Ihre Mutter stand daneben und gebot dem Spaß energisch Einhalt, indem sie immer wieder flüsterte: »Aber nein, Häschen. So was machen artige kleine Prinzesschen doch nicht. Häschen, bitte.«

Dann fragte sie mich, ob wir vielleicht heute geeignete Sportschühchen für ihr Püppchen hätten. Ich schaffte es, ihr nicht die Augen auszukratzen. »Das Sugesäft hat nie söne Suhe«, quengelte Melli vor sich hin. Ich beugte mich zu ihr hinunter. »Da hast du recht, Melli. Besser, ihr geht in ein anderes Geschäft.«

Als die beiden endlich weg waren, ging ich nach hinten, um einen Schwamm zu holen. Aschenputtel, wie es leibt und lebt. Was heißt Aschenputtel? Aschenpummel! Immerhin endlich mit einem Prinzen in Aussicht.

Die Tür bimmelte. Ich drückte mich an einen Stapel Schuhkartons und hielt die Luft an. Bitte nicht Melli, bitte nicht.

Stille. Ich schob den Vorhang ein Stück zur Seite und sah hinaus. Die gute Nachricht – es war nicht Melli. Die schlechte Nachricht – es war schlimmer. Eine von diesen Frauen, denen man schon von hinten ansah, wie hübsch sie waren. Und das lag gar nicht so sehr am cremefarbenen, sichtlich teuren Etuikleid, den schmalen Fesseln und der braunen Lockenpracht bis zum Hintern.

Nora Miedler's Books