Aschenpummel (German Edition)(14)
Geduldig wiederholte Be-De: »Die drei Töchter von Bruce Willis sind eigentlich –«
»Nein, nein, das davor …«
»Ach so. Also, die sechs Kinder von Brad und Angelina haben ein Dutzend Kindermädchen und machen mit denen den ganzen Tag nichts anderes als essen und fernsehen.«
»Wow«, sagte ich. Diese Kindermädchensache wäre eine gute Alternative, falls ich doch nicht Mrs. Pirat werden konnte. Den ganzen Tag in einer Nobelvilla sitzen, essen, fernsehen und hie und da einen Blick auf Brad Pitt werfen. Das würde ich hinkriegen. Oder ein bisschen in seinen Sachen stöbern … Na, jetzt mal ernsthaft: Wer glaubt denn nicht, dass die Angestellten von Hollywoodstars in Schubladen und Kästen kramen, in denen sie nichts zu suchen haben? Einmal Brads Unterhose berühren. Oder in Angelinas BH schlüpfen … nö, doch nicht, zu deprimierend.
»So wie der Strohmann aussieht, könnte der auch in Filmen mitspielen«, sinnierte Be-De gerade. Ich merkte, dass sie mich dabei scharf beobachtete, und lief knallrot an.
»Du stehst auf ihn, Teddy!«
»Stimmt nicht«, rief ich entrüstet. Wie konnte sie mich für so oberflächlich wie all die anderen Weiber halten?
»Deine Wangen glühen ja richtig.«
»Be-Deeee …«
»Was?«
» – nise, Bonnie-Denise … heute ist so wenig los, du kannst ruhig schon gehen.« Sie musste jetzt einfach gehen. Be-De lenkte mich zu sehr vom Piraten ab. Dabei meinte sie es ja nicht böse, und ich wollte auch nicht undankbar sein.
Denn wenn ich ehrlich war, musste ich mir eingestehen, dass sie wohl die Frau in meinem Leben war, die dem Begriff »Freundin« am Nächsten kam. Außerdem sah ich sie gerne an. Sie sah aus wie die junge Jane Fonda, und wenn sie redete und ich ihr zuhörte, dann stellte ich mir manchmal vor, dass sie Jane war und ich ihre Schwester. Und mein Vater war dann natürlich Henry Fonda, den ich verehrte, seit ich ihn vor fünfzehn Jahren in »Spiel mir das Lied vom Tod« gesehen hatte. Dass Henry in echt wohl kein besonders guter Vater gewesen und außerdem seit fast dreißig Jahren tot war, störte mich dabei kaum. Heute hatte ich jedoch keinen Kopf für Jane, heute war Bonnie-Denise einfach nur Be-De, die ihre Klappe nicht halten konnte und deren Worte mich nervten wie ein juckender Hautausschlag. Ich fing sogar an, mich zu kratzen.
Be-De saß auf dem Tresen neben der Kassa und überlegte laut: »Ich hab die Woche eh schon wieder Überstunden angesammelt. Du weißt, dass ich schon wieder Überstunden angesammelt habe, oder? Was kratzt du dich denn dauernd? Wenn ich alle Überstunden, die ich bis jetzt schon angesammelt habe, nehmen würde, dann bräuchte ich zwei Monate lang nicht zu kommen, das weißt du, oder? Weißt du das?«
»Natürlich weiß ich das. Drum geh jetzt, dann bist du wenigstens eine Überstunde los.«
Be-De sah auf die Uhr. Sie spitzte die Lippen und begann mit den Beinen zu schlenkern. Anscheinend hatte sie es nicht sehr eilig, nach Hause zu ihren Goldgeschöpfen und dem weltbesten Ehemann zu kommen. Dabei hätte sie heute gar nicht hier sein sollen. Sie war nur zwanzig Wochenstunden angestellt.
Montags bis freitags sperrte sie das Geschäft um neun auf und blieb bis eins. Ich begann um elf und blieb bis halb sieben. Ab eins kam eine der Aushilfen, um mich im Nachmittagsgeschäft zu unterstützen. Nur, dass die Aushilfen sehr oft nicht kamen, was einen bei dem Gehalt nicht wundern durfte. Samstags hatten wir nur bis Mittag geöffnet, und auch wenn heute schon wieder die zweite Kraft ausgefallen war, hätte Bonnie-Denise nicht kommen müssen. Der lange Sommer war nicht gut fürs Geschäft. Bei dreißig Grad hatten die Leute wenig Lust, Herbstschuhe anzuprobieren.
Be-De hielt mit Schlenkern inne. »Wenn du meinst, dass ich dich wirklich alleine lassen kann …«, begann sie.
»Ja«, antwortete ich entschieden. Ich musste endlich darüber nachdenken, was die Worte des Piraten alles bedeuten konnten. Steckte nicht vielleicht sogar ein Wink dahinter, dass Frau Kis die einzige Frau auf der Welt war, die ihn wirklich interessierte? War es nicht mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Frauenstimme, die ich gestern Abend im Hintergrund gehört hatte, seiner Schwester, seiner Mutter oder seiner Kusine gehörte? Denn was sollte das für eine Ehefrau oder Freundin sein, die sich abends noch nie in seinem Geschäft hatte blicken lassen? Wenn es sie also gab, dann musste sie eine kalte, desinteressierte Person sein, die den Piraten in keinster Weise verdient hatte.