Aschenpummel (German Edition)(13)



»Na dann …«, begann der Pirat zögerlich und sah interessanterweise so aus, als hielte er nach demselben Ufo Ausschau. Das gab mir Mut. »Danke, dass Sie extra vorbeigekommen sind. Noch dazu an Ihrem freien Tag …«

»Ja genau«, mischte Be-De sich ein. »Das wollte ich eh schon immer wissen: Wieso haben Sie am Samstag nicht geöffnet? Kann sich das ein kleiner Laden wie der Ihre in diesen Zeiten überhaupt noch leisten?« Und dabei sah sie den Piraten an, als wäre er der faulste Mensch, der ihr je untergekommen war.

»Wenn ich auf die Einnahmen aus meinem Geschäft angewiesen wäre, dann könnte ich mir das Leben auch bei dreihundertfünfundsechzig offenen Tagen im Jahr nicht leisten«, erwiderte der Pirat. »Ich habe eigentlich nur eine wirkliche Kundin. Und das ist Frau Kis. Auf Wiedersehen.«

Er war so schnell fort, dass ich kaum Zeit hatte, rechtzeitig zu erröten. Ich drehte mich zu Bonnie-Denise und spürte, dass mir Tränen in die Augen traten. Mein Herz klopfte, und wären in diesem Moment Geige spielende Engel vom Himmel geschwebt, ich hätte mich nicht gewundert. Ich war seine einzige wirkliche Kundin. Ich war etwas Besonderes. Für ihn. Und ich Wahnsinnige hätte gestern beinahe dieses besondere Leben weggeworfen.

»Der hat doch einen Klamsch«, sagte Be-De. »Dem möchte ich nicht im Dunkeln begegnen. Außerdem merke«, fuhr sie mit erhobenem Zeigefinger fort, »wer eine Maske trägt, der hat was zu verbergen.« Daraufhin verschwand sie gewichtig hinter dem Vorhang. Mir hingegen schwappte das Glück aus den Augen und rann in Tropfen meine Wangen hinunter. Plötzlich fühlte ich eine tiefe innere Gewissheit, dass nun alles gut werden würde.

Das war, bevor der Nachmittag kam. Und der Abend.





4



Meine Hochzeit stellte ich mir so vor:

Der wunderschöne Pirat in einem dunklen Anzug, mit einem Auge, aus dem das Glück strahlt. Ich selbst – wundersam erschlankt – in einem weißen Seidenkleid, mit Margeriten im Haar. Tissi tiefstdekolletiert und höchstgeschlitzt und doch jämmerlich verblassend neben der überschäumenden Liebe der jungen Brautleute.

Die Menge raunt: »Was für ein Traumpaar.«

Der Pirat flüstert in mein Ohr: »Komm, Teddy, gehen wir, ich muss endlich mit dir allein sein. Ich halte es nicht mehr aus, auch nur eine Sekunde länger die Finger von dir zu lassen. Ich begehre dich so sehr …«

Seine Hände sind auf mir, seine Lippen überall …

Ich seufzte und riss die Augen auf. Be-De stand vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt.

»Hast du mir überhaupt zugehört?«, blaffte sie.

»Ja«, hauchte ich. Ich war so glücklich.

»Und? Wie findest du das?«

»Ich find’s super. Einfach nur super.«

Lauernd fragte Be-De: »Du findest es super, dass sie bei meiner Schwiegermutter ein Karzinom festgestellt haben?«

»Ähhh …«

Be-De grinste. »Du bist eine wahre Freundin, Teddy. Du weißt eben, dass sie das größte Miststück auf Gottes grüner Erde ist. Und dass es ihr natürlich am liebsten wäre, wenn ich abkratzen würde. Kann man es mir da verübeln, wenn ich ihr dasselbe wünsche?«

»Ähhh …«

»Eben.«

Warum haben Frauen immer so ein Problem mit den Müttern ihrer Männer? Ich nahm mir vor, die beste Schwiegertochter aller Zeiten zu werden. Immerhin hatten die Eltern des Piraten die größte Kostbarkeit überhaupt in diese Welt gesetzt, allein dafür musste ich sie schon lieben.

Meine Schwiegereltern stellte ich mir so vor:

Uralt und mit Augenklappe. Aber so was von nett. Papa Pirat erzählt mir von den beiden Kriegen und Mama Pirat serviert saftigen Kokoskuchen dazu.

»Nimm doch noch ein Stück, Teddy«, sagt sie. »Nimm noch ein Stück, du bist so dünn.«

Sobald mein Teller leer ist, legt sie ein neues Stück drauf. Und noch ein Stück und noch ein Stück.

Während mein Verlangen nach Kokos immer größer wurde, plapperte Be-De in einem fort. Soweit ich es mitbekam, waren wir mit dem Thema Familie durch und hatten uns den Klatschspalten zugewandt. Filmstars hier, Popstars dort. Tratschtosteron vom Feinsten.

»Was hast du grade gesagt?«, fragte ich urplötzlich interessiert.

Nora Miedler's Books