Die Treppe im See(89)
?Sie schreiben Bücher, nicht wahr??, lautete seine abschlie?ende Frage.
?Was hat das hiermit zu tun??
McMullen zuckte mit den Schultern und schaute gelangweilt. ?Habe es einfach mitbekommen. Bisher bin ich niemandem pers?nlich begegnet, der Bücher schreibt.? W?hrend er seine Notizen durchsah, fügte er hinzu: ?Au?er einmal in Philadelphia, wo Pamela Anderson ihre Bücher signiert hat. Sie ist umwerfend, in natura. Sind Sie ihr mal über den Weg gelaufen bei Schriftsteller-Messen oder zu was ihr Typen so geht??
Ich verneinte.
?Mhm. Schade. Sie ist die verdammt hei?este Braut, in Person. Wirklich … ich meine, manchmal, du wei?t schon, sind die … ? Er machte eine schlaffe Handbewegung zum Zeichen der Entt?uschung über andere Prominente, denen er vermutlich in der Vergangenheit begegnet war.
?Verdammt riesige Titten.?
?Stehen die Dentmans unter Arrest??
?Sie werden verh?rt.?
?Aber offiziell festgenommen hat man sie nicht??
?Schon mal ein Verh?r mitverfolgt??
?Nein.?
Mit einem Grinsen so breit wie der Kühlergrill eines Sattelschleppers sagte Rob: ?Kommen Sie.?
Nachdem wir ein Labyrinth s?gemehlfarbig gestrichener G?nge hinter uns gelassen hatten, standen wir vor einer geschlossenen Metalltür mit kleiner Scheibe aus Rauchglas. Sie sah aus wie der Einstieg zu einem U-Boot. McMullen summte eine Melodie, die wie der Titelsong der Muppet Show klang, und tippte einen Code ins Zahlenschloss. Dann ?ffnete er die Tür und zog sie ein Stück weit auf, ohne mich hineinzubitten. Stattdessen betrachtete er seine Fingern?gel, bis ich eintrat. Dann folgte er mir und schloss die Tür, ohne sein Summen zu unterbrechen.
Au?er uns war niemand im Raum, welcher kleiner und finsterer war als die Dunkelkammer eines Fotografen. Zwei Klappstühle standen vor einer breiten Glasscheibe, die auf der anderen Seite verspiegelt war. Dort – in einem fensterlosen Zimmer, das ungef?hr die Ma?e von Strohmans Büro hatte – sa? Veronica am Ende eines gemei?elten Holztisches. Den Beamten, der ihr gegenüber sa? und in sein Notizbuch schrieb, erkannte ich als Officer Freers wieder.
?Nur zu.? McMullen nickte zu den Klappstühlen. ?Nehmen Sie Platz.?
?K?nnen sie uns h?ren??
?N??, sagte er, es klang als h?tte er Kaugummi im Mund.
Freers Fragen waren obligatorisch – Veronicas voller Name, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer (die sie nicht wusste), Adresse, Telefonnummer (welche sie nicht hatte), und ihren Beruf (dito Telefonnummer).
?Ist es m?glich, David Dentmans Befragung anzuh?ren??, fragte ich Rob nach einer Weile.
?Er sitzt im Büro des Chefs.? Damit wollte er mir wohl zu verstehen geben, dass es tabu war, dort zu lauschen.
Freers stand auf und verlie? das Zimmer, um kaum eine Minute sp?ter mit einem Plastikbecher Wasser zurückzukehren, den er vor Veronica abstellte. Als sie den Kopf senkte, um ihn zu betrachten, fiel ihr das struppige Haar ins Gesicht und einiges davon wie Teebeutel in den Becher.
Das Zahlenschloss klickte und die Metalltür sprang auf. Ein Streif Neonlicht vom Gang zerschnitt die Dunkelheit des Raumes. Zwei oder drei Personen schlurften schweren Atems herein, und mit einem Mal stank es nach schlechten Z?hnen und abgestandenem Schwei?. Zwei wuchtige Leiber schoben sich seitlich hinter die Stühle, w?hrend der dritte Mann neben McMullen stehen blieb. Die beiden hinter mir fingen zu flüstern an. Ich glaubte, einen Furz auf dem Metall eines Klappstuhls zu h?ren.
?Wir werden Ihnen Fragen zu dem Tag stellen, an dem Ihr Sohn ertrunken ist?, kündigte Freers Veronica an.
Sie sagte nichts.
?Womit würden Sie gerne beginnen??, fragte Freers.
Sie schwieg weiter.
?Wir brauchen Ihre Aussage von –?
?Ich habe geschlafen?, gab sie automatisch an. Ihre Stimme klang durch die Lautsprecher, die an beiden Seiten der Spiegelwand angebracht waren, sehr leise.
?Dann fangen wir an dem Punkt an, als sie noch wach waren. Woran erinnern Sie sich zuletzt??, versuchte es Freers.
?An heftige Kopfschmerzen?, erwiderte sie. ?Dann habe ich geschlafen.?
?Verdammt schaurig?, bemerkte einer der M?nner hinter mir. ?Wie ein Roboter oder so.?
?Besessen?, meinte sein Partner. ?Wie in dem Film, wo in der Kleinen der Teufel steckte?
?Der Exorzist??
?Nein, ich meinte den neuen.?
?Wenn du mich fragst, hat ihr jemand eine Gehirnw?sche verpasst.?
Ich versuchte, ihr Gerede auszublenden, beugte mich nach vorn und konzentrierte mich. Freers versuchte vergeblich, sie mit einer anderen Herangehensweise zum Reden zu bringen.
Der dritte Polizist, der neben McMullen, stand dicht genug vor dem Spiegel, um seinen Atem an der Scheibe zu hinterlassen. ?Komm schon, Freers?, murmelte er. ?Gib es gleich auf.?
Einer der beiden Paviane hinter mir stimmte die Melodie von Twilight Zone an.
Als h?tte sich die Bitte durch die Wand übertragen, legte Freers seinen Stift nieder und lie? sich seufzend auf seinem Stuhl zurücksinken. Eine Reihe trockener Knackger?usche dr?hnte durch die Boxen, die entweder von der Sessellehne oder seinem Rücken herrührten. Den letzten Satz, den er an Veronica richtete, verstand man nicht, da er sich mit seinem fleischigen Daumen über die Unterlippe fuhr. Dann stand er auf, nahm das Notizbuch mit dem Stift und ging aus dem Zimmer.
Allein im farblosen Licht der Verh?rzelle sah Veronica aus wie ein Wachsmodell ihrer selbst.
?Strohman wird es versuchen?, ahnte einer der M?nner hinter mir. Der Unmut in seiner Stimme war so subtil wie die Explosion einer Kanone.