Die Treppe im See(91)
?Sicher, aber wir müssen auf legalem Weg Einsicht erlangen.?
?Hat es irgendwas versaut, weil ich sie dir vorab gegeben habe??
?Sollte es nicht, selbst wenn uns ein findiger Strafverteidiger einen Strick daraus drehen wollte. Es hat dich niemand von uns gen?tigt, es zu tun. Uns als Beh?rde trifft keine Schuld, etwas Unlauteres begangen zu haben. Im Grunde genommen l?uft es so, damit wir keine L?cher im Fall haben und alles rechtm??ig ist.?
?Rechnest du wirklich damit, dass die Sache vor Gericht kommt??
?Ich habe keine Ahnung. Mit so etwas hatte ich noch nie zu tun.?
In meinem Kopf h?rte ich Paul Strohmans Stimme, begleitet von einem statischen Rauschen wie über CB-Funk: Die meisten meiner Delegierten haben noch nie Blut gesehen, geschweige denn Mordermittlungen durchgeführt. Im Anschluss daran knarrte als deutliche Mahnung: Ich k?nnte Ihnen Dinge erz?hlen … Sie würden die ganze Nacht kein Auge zumachen, weil Sie zwanghaft auf die leisesten Ger?usche im Haus horchen müssten.
W?hrend Adam durch die dunklen Stra?en fuhr, starrte ich durch das Fenster auf die vorbeihuschenden B?ume dahinter.
?Nehmen wir an, Dentman deckt seine Schwester tats?chlich?, sagte ich mit Blick aus der Beifahrerscheibe. ?Wenn sie ihren Sohn ohne sein Wissen und Zutun umgebracht hat: Was blüht ihm dann??
?Eine Anklage wegen Justizbehinderung oder Falschaussage, Verabredung, Beihilfe und Vorschub. Himmel, ich wei? es nicht.?
?Jesus?, murmelte ich.
?Jetzt erz?hl mir nicht, du h?ttest einen Sinneswandel! Nicht nach allem, was passiert ist.?
?Nein?, beschwichtigte ich. ?Ich versuche nur, die ganze Sache zu verdauen.?
Adam verschluckte sich an seinem Lachen. ?Willst du mich verarschen? Du allein hattest einen Verdacht. Stell dir blo? vor, wie sich Paul f*cking Strohman gerade vorkommen muss.?
?Ich lag aber falsch, es war Veronica, nicht David.? Ich dachte darüber nach; meine Gedanken rasten dahin. ?Was meintest du eigentlich damit, David werde dichthalten??
?Er verweigert die Aussage, wird nicht singen. Niemandem gegenüber hat er ein Wort ge?u?ert, seit wir ihn festgenommen haben.?
Wir, dachte ich. Seit wir ihn festgenommen haben. Das ist so verdammt surreal.
?Würde Strohman die Anklage im Austausch für ein Gest?ndnis fallen lassen??
Das Licht des Armaturenbretts beleuchtete Adams Gesicht schauderhaft grün. ?Das müsste der Staatsanwalt entscheiden, nicht Strohman. Bist du dir überhaupt sicher, dass Dentman dazu bereit w?re? Er log von vornherein für seine Schwester, ich bezweifle stark, dass er sie mit der Aussicht auf Strafmilderung im Stich l?sst.?
?Nein, so meinte ich das nicht?, erwiderte ich. ?Nicht ganz.?
Er warf mir einen kurzen Blick zu. ?Wie dann??
?Es ist … nur eine Idee. Besteht irgendeine Chance, dass Strohman beim Staatsanwalt vorfühlt??
?Ob er sich Dentman gegenüber nachsichtig zeigt, wenn er seine Schwester belastet??
?Nicht belastet?, verbesserte ich. ?Er soll einfach nur aussagen. Ich glaube nicht, dass er irgendetwas zu bekennen hat.?
?So?, antwortete er, nicht ganz ohne brüderliche Herablassung. ?Wenn du damit mal nicht von deiner bisherigen Linie abweichst.?
Er drehte am Lenkrad und der Wagen bog in die Hauptstra?e ein, die nur von unseren Lichtern erhellt wurde. ?Wie auch immer, geht es um Mord, wird der Staatsanwalt darauf pochen, dass jemand in den Knast wandert.?
?Veronica wird es nicht treffen, oder??
?Du hast sie gesehen und mit ihr gesprochen?, sagte er. ?Keine Geschworenenbank der Welt wird diese Frau ins Gef?ngnis bringen, welch schweres Verbrechen sie auch immer begangen hat. Ganz zu Schweigen von der fehlenden Leiche?, schob er nach, als sei irgendetwas davon meine Schuld. ?Angesichts ihrer Vergangenheit wird selbst ein Pflichtverteidiger auf Unzurechnungsf?higkeit pl?dieren und damit durchkommen. Die einzigen Gitter, die diese Frau zu sehen kriegt, sind die vor den Fenstern einer Nervenheilanstalt.?
Ich lie? das erst mal sacken.
?Denkst du, wir finden jemals heraus, was Elijah zugesto?en ist??, fragte ich schlie?lich, als wir in der Waterview Court einfuhren.
Adam schien sich die Worte durch den Kopf gehen zu lassen. ?Kann ich nicht sagen, aber zumindest sind wir der Antwort einen Schritt n?her, nicht wahr??
Die Scheinwerfer durchbrachen die Dunkelheit der Stra?e. Die Laternen waren nicht eingeschaltet und es war, als würden wir am Grund des tiefsten Ozeans dahingleiten.
?Du hast mir an dem Tag am See einen Schei?schrecken eingejagt?, meinte Adam pl?tzlich unvermittelt, ?als du mit der Axt …?
?Ich erschrak vor mir selbst?, gestand ich und war gleichzeitig überrascht, mich so offen zu zeigen. ?Ich musste es einfach wissen.?
?Wie bist du überhaupt darauf gekommen??
Althea Coulter meldete sich in meinem Ged?chtnis: Die Natur kennt kein Aussterben, sondern nur Ver?nderung. Sie wei?, dass die Seele, wenn sie einen K?rper verl?sst, dessen Licht ausgegangen ist, laut Definition, irgendwo unterkommen muss. Glaubt man weder an Gott oder ein anderes h?heres Wesen noch an Himmel und H?lle – wohin zieht das Ich dann?
?Geister?, sprach ich, als wir am Ende der Sackgasse langsamer wurden und schlie?lich stehen blieben. ?Glaubst du an so etwas??
Kapitel 32
Jodie sa? mit dem Kissen im Rücken auf dem Bett und las unter der Lampe am Kopfende in einem Taschenbuch von Louis L‘Amour. Ich streifte meine Schuhe ab, kroch ins Bett zu ihr hoch, küsste Hals, Kinn und Lippen.
?Spann mich nicht auf die Folter?, sagte sie. ?Was ist los??