Die Treppe im See(93)
Wenn die Leiche hier verbrannt wurde, h?tte man sie in kleine Teile zerstückeln müssen, um sie durch die ?ffnung zu zw?ngen; wenn die Leiche hier verbrannt wurde, werde ich h?chstwahrscheinlich keine Spuren im Kessel finden.
Oder doch?
Als sich die ersten Sonnenstrahlen am Himmel blicken lie?en, hatte ich mehrere Handvoll klebrigen Ru? aus der Heizung geschaufelt. Die Masse lag nun auf Zeitungspapier am Boden, stank nach ?l und sah aus wie schwarzer Eiter, den ein fieberkrankes Pferd abgesondert hatte. Zu Anfang hatte ich noch gehofft, Knochensplitter oder so etwas in der Art in dem Brei zu finden, aber nun, da die Schlacke auf der Zeitung vor mir ausgebreitet lag, wusste ich, dass alles gelogen war, was ich in Filmen gesehen und in Büchern gelesen hatte: Au?er Kohlenstoff und nasser Asche bleibt von uns nichts übrig.
Ersch?pft und deprimiert kehrte ich nach oben zurück, wo der Wecker neun Minuten nach sechs zeigte. Im Bett schmiegte ich mich an Jodie und hoffte, dass ihr Atemger?usch mich in den Schlaf wiegen würde.
Tat es nicht.
Kapitel 33
Gegen Mittag klingelte das Telefon.
?Wir brauchen deine Hilfe?, sprach Adam nahezu atemlos.
?Worum geht es??
?Dentman will unter einer Bedingung aussagen.? Er hielt inne, vielleicht um es dramatischer klingen zu lassen. ?Er m?chte zuerst mit dir reden.?
?Ich bin in zehn Minuten da?, versprach ich und legte auf.
?Das?, rief Paul Strohman, ?ist kompletter Bullshit.?
Wir sa?en in seinem engen Büro, er hinterm Schreibtisch, Adam neben mir auf einem der beiden Stühle ihm gegenüber. Strohman hatte seine langen Fü?e auf die Tischplatte gelegt, weshalb sie leicht durchhing.
?Es wird schon nichts schiefgehen?, befand Adam.
?Oder aber, es l?sst das ganze Department aussehen wie einen Schulbus voller Schwachk?pfe.?
?Er hat ausdrücklich nach Travis verlangt. Danach wird er seine Aussage machen.?
?Na, wenn er es versprochen hat, ist ja alles klar.? H?tte Strohman im selben Moment nicht geseufzt und w?re mit der Hand durchs Haar gefahren, h?tte sein Sarkasmus ein wenig h?rter getroffen. Er wandte sich an mich: ?Bevor Sie da reingehen, m?chte ich Ihnen die Grundregeln erkl?ren. Zuallererst gab es von unserer Seite aus keinerlei Versprechungen. Wenn er also plaudert, tut er es aus eigenem Antrieb. Ich will diesen Narren nicht lossprechen, nur um mir dann anh?ren zu müssen, dass er das Kind zu Hackfleisch verarbeitet und die Einzelteile im Wald verscharrt hat.?
?Müssen Sie auch nicht?, entgegnete ich. ?Stellen Sie ihm nur Straffreiheit für die Taten in Aussicht, derer er gegenw?rtig am Pranger steht, Justizbehinderung oder Beihilfe, egal.?
?Ich denke ungern daran, ihn mit Samthandschuhen anzupacken, w?hrend wir seine zurückgebliebene Schwester richtig in die Mangel nehmen.?
?Wollen Sie seine Aussage oder nicht??, fragte ich. ?Und nebenbei ist sie nicht zurückgeblieben.?
Strohman fuhr mit dem Daumen über sein Kinngrübchen. ?Falls das brutal klingt, liegt das daran, dass diese Angelegenheit ein stinkender Haufen Schei?e ist, der mir jetzt am Schuh klebt. Und dass Sie Ihre Nase überall reinstecken, macht es nicht besser.?
?Ich giere nicht danach, irgendwem davon zu erz?hlen.?
?Nun gut. Wahrscheinlich sind Sie einfach nur ein feiner Kerl, was?? Strohman stand auf und reckte sich, ein Meter neunzig und mehr. ?Sie gehen zu ihm und h?ren sich an, was er zu sagen hat. Keine Versprechen – und erz?hlen Sie ihm nichts, was er nicht sowieso schon wei? und in seiner Aussage preisgibt.?
?Alles klar?, best?tigte ich und erhob mich ebenfalls. ?Wo ist er??
?In einer der Arrestzellen.?
Eingesperrt in einer Einzelzelle sah David Dentman aus wie ein zu gro? geratenes Kind, das die Schultern h?ngen lie?. Als ich eintrat, schloss Adam die Tür hinter mir, doch David machte sich nicht einmal die Mühe, mich anzusehen. Trotz Mittagszeit drang nur fahles Licht durch die vergitterten Fenster hoch oben in der Wand. Der ganze Platz roch nach Mottenkugeln und gebrauchten Socken.
Ich lie? mich auf dem Klappstuhl vor seiner Zelle nieder und sagte nichts.
Dentman hockte auf der Kante seiner Pritsche und scheinbar gefiel es ihm, seine riesigen Fü?e anzustarren. Man hatte ihm die Schnürsenkel aus den Schuhen gezogen, und seine gefalteten H?nde zwischen den Oberschenkeln kamen der Gr??e von zwei Radkappen gleich. Mir fiel auf, dass der Haarwirbel auf seiner Sch?deldecke allm?hlich einer Glatze wich. Als er mich endlich anschaute, tat er es mit versteinerter Miene, die keine Gefühlsregung durchblicken lie?. Das überraschte mich, denn ich hatte erwartet, dass er weinte.
?Was wei?t du sonst noch?? Seine Stimme war kaum lauter als ein Wispern.
Ich streckte die H?nde mit den Fl?chen nach oben aus.
?Nichts.?
?Lüg mich nicht an. Es ist vorbei.?
?Was macht dich so sicher, dass ich mehr wei???
?Du hast alles herausgefunden, nicht wahr??
?Einen Schei? habe ich. Bin nicht weiter als vorher.?
?Du kotzt mich an.?
?Sag mir, was passiert ist.?
Er lie? den Kopf wieder h?ngen.
?Sie brauchen eine Aussage von dir.?
?Wieso? Um meine Schwester ins Gef?ngnis zu stecken??
?Veronica wird nicht ins Gef?ngnis kommen, und wenn du dich kooperativ zeigst, du auch nicht.?
?Und was bringt mir das??
?Dir mag es nicht viel bedeuteten, aber Veronica vielleicht umso mehr. Zeigst du guten Willen, indem du ihnen alles sagst, was an jenem Tag wirklich vorgefallen ist, erh?ltst du Strafminderung und wirst auch weiterhin für deine Schwester sorgen k?nnen. Falls man sie irgendwo in eine Klinik schickt, wird sie dich brauchen. Bei ihr nach dem Rechten sehen und auf sie aufpassen kannst du nicht vom Knast aus.?