Die Treppe im See(96)



Strohman kratzte sich an der Stirn und sah aus, als habe er ein Nickerchen n?tig.

Die zwei Beamten im Verh?rzimmer bewegten sich ger?uschlos im Schatten.

?Okay, David. Veronica hat also gesucht und den Jungen nicht gefunden. Was dann? Setzte sie sich einfach auf die Treppe, um auf Sie zu warten? So haben Sie sie angetroffen, richtig??

?Nein. Ich meine, ja, so habe ich sie gefunden. Aber das ist nicht … So lief es nicht.?

?Dann erz?hlen Sie mir, wie es wirklich gelaufen ist.?

?Sie sagte, sie k?nne sich nicht an alles erinnern. Vorübergehend wurde alles schwarz.?

Strohman hakte nach.

?Sie hatte einen ihrer Anf?lle?, führte Dentman aus. ?Sie muss sich selbst in etwas hineingesteigert haben und dann hatte sie einen ihrer Anf?lle.?

?Ein Blackout?, wiederholte Strohman. ?Wie, ?h …? Er schnippte schnell hintereinander mit den Fingern. ?Wie … Hallo, keiner daheim. Richtig??

Strohmans Respektlosigkeit in dieser Sache rührte David Dentman auf. Selbst von dort, wo ich stand, erkannte ich, dass es in ihm rumorte. Seine Augen sprühten Funken.

Auch wenn er Elijah nicht umgebracht hat, diese Augen gerade eben, sind die Augen eines kaltblütigen M?rders.

?Veronica wei? nicht, wie lange ihr Aussetzer gedauert hat?, fuhr Dentman fort, ?als sie zu sich kam, war Elijah immer noch nicht aufgetaucht. Dann erst setzte sie sich auf die Treppe und wartete auf mich.?

?Also gut, Sie kamen nach Hause – und dann??

?Genau wie ich schon sagte, sie erz?hlte mir das, was ich Ihnen gerade erz?hlt habe.?

?Und Sie glaubten ihr? Dass sich der Junge einfach so in Luft aufgel?st hat??

Dentman reagierte nicht.

?Wollen Sie mir keine Antwort geben??

?Meine Schwester ist sehr zerbrechlich.?

?Ich verstehe. Das haben wir bereits er?rtert. Antworten Sie jetzt auf meine Frage??

?Was wollen Sie h?ren??

?Was Ihrer Ansicht nach passiert ist.?

?Ich wei? es nicht. Aber was immer es war, es war ein Unfall.?

?Ich glaube, ich wei? es.?

Dentman grinste. ?Ach ja??

?Diese Blackouts –?

?Ich glaube ich wei?, worauf Sie hinaus wollen. Nein, sie hat nichts getan, was dem Kind wehtun würde.?

?Okay. Aber vielleicht ungewollt –?

?H?ren Sie auf. Sie m?chten mir die Worte im Mund herumdrehen. Das sagte ich nicht.?

?Dann erkl?ren Sie mir, weshalb wir überhaupt zu diesem Punkt gekommen sind. Wieso h?ren wir jetzt diese Geschichte von Ihnen, wo Sie letzten Sommer eine v?llig andere parat hatten – dass Sie selbst daheim gewesen w?ren und den Kleinen beobachtet h?tten, weil Veronica mit Kopfschmerzen zu Bett gegangen sei? Dass Sie das vorgeschoben haben, um sie zu decken, ist offensichtlich, auch dass Sie ihr verboten hatten, Fragen zu beantworten. Aber schauen Sie, wohin es Sie beide gebracht hat.?

Dentman sprang auf. Sein Stuhl kippte rückw?rts, die beiden Beamten behinderten sich gegenseitig im Versuch, ihn aufzufangen. David legte die H?nde mit den Handschellen nachdrücklich auf die Tischplatte und sah aus, als spucke er jeden Moment Feuer.

Auf der anderen Tischseite hingegen h?tte Strohman sich genauso gut einen alten Schwarz-Wei?-Schinken auf AMC ansehen k?nnen.

?Hinsetzen!?, befahl einer der Uniformierten, indem er eine von Dentmans bulligen Schultern packte.

Der zweite Officer schob ihm den Stuhl in die Kniekehlen. ?Setzen!?

Gleich einem sinkenden Schiff lie? sich Dentman nieder.

?Ihr Temperament stellt alles, was Sie mir geschildert haben, in Zweifel?, gab Strohman zu bedenken. ?Allm?hlich beschleicht mich das Gefühl, dass wir hier alle unsere Zeit verschwenden.?

?Sie wollten eine beschissene Aussage, und ich habe Ihnen eine gegeben.?

?Wie ging es weiter, nachdem Sie ins Haus gekommen waren und Veronicas Geschichte geh?rt hatten – nachdem Sie das Grundstück abgesucht und mit leeren H?nden zurückgekehrt waren??

?Sie wollen unbedingt, dass ich es sage, nicht wahr? Falls nicht, n?tigen Sie mich dazu.?

?Genau?, best?tigte Strohman. ?Das werde ich.?

Dentman beugte sich über die Tischplatte. ?Ich vermutete, sie habe ihn b?se verletzt und nichts gemerkt.?

?Ihn verletzt??

?Ihn umgebracht?, brachte Dentman endlich hervor. Es kam einer Beichte gleich.

In diesem Augenblick merkte ich, dass ich die Luft anhielt.

?Ich fragte Veronica wiederholt, was sie getan habe, doch sie sagte, sie k?nne sich nicht erinnern. Auf der Suche nach Elijah sei alles um sie herum schwarz geworden. Ich fragte, ob es m?glich sei, dass ihm etwas im Wasser zugesto?en sei. Sie weinte und sagte, er habe sich den Sch?del gesto?en. Wiederholte es immer wieder. Ich ging schlie?lich hinunter ans Wasser. Ich rief Elijahs Namen, streifte den Wald in der Umgebung ab und watete schlie?lich in den See. Ich konnte ihn nicht finden … aber das Blut an den Stufen habe ich entdeckt.?

?Wie lange haben Sie gesucht??

?Lange. über eine halbe Stunde. Ich fragte mich, wo er steckte. Falls er … falls er untergegangen und irgendwo h?ngengeblieben war, gab es keine M?glichkeit, es herauszufinden, ihn aufzuspüren und zu retten.?

?Weiter.?

?Ich ging zurück ins Haus und wies Veronica an, sich oben umzuziehen, was sie auch tat. Dann nahm ich ihr nasses, blutbeflecktes Kleid und warf es in den Ofen im Keller.?

Mein Herz tat einen Sprung. Das Blut raste durch meine Adern, es kam mir vor wie ein vorbeirauschender Güterzug.

?Dann bereitete ich sie darauf vor, dass wir die Cops einschalten mussten, weil ich Elijah, falls er untergegangen war, nicht allein bergen konnte. Wir brauchten Hilfe, um ihn rauszuholen. Sie stand abwechselnd neben sich und fasste sich wieder, ich rechnete mit einem weiteren Anfall. W?hrend ich die Polizei rief, sa? sie auf dem Sofa, und sobald ich aufgelegt hatte, ging ich zu ihr hinüber. Sie legte den Kopf auf meinen Scho?; ich streichelte ihn und gab ihr genaue Anweisungen, was sie sagen sollte, wenn ihre Leute eintrafen – dass sie die ganze Zeit über mit Migr?ne im Bett gewesen sei, w?hrend ich den Jungen von unten aus beobachtet h?tte. ?Ich werde mich darum kümmern?, versprach ich ihr.?

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