Die Treppe im See(101)


?Der Bezirksstaatsanwalt hat die Anklagen gegen beide fallengelassen?, erz?hlte Adam mit Mayonnaise im Mundwinkel. ?David k?nnten sie zwar belangen, weil er die Polizei belogen hat, doch sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Strohman sind übereingekommen, dass die Sache eine einzige Schande sei, weshalb man sie so schnell wie m?glich unter den Teppich kehren und abhaken wolle.?

?Was wird nun mit den beiden geschehen??

?Wei? nicht. Sch?tze, man l?sst sie ihr Leben weiterführen. Zumindest kennen wir jetzt die Wahrheit.?

Die Vorstellung, der Junge sei wie ein verwundetes Tier zum Sterben in seine H?hle gekrochen, überstieg mein Fassungsverm?gen. Aus welchen Gründen auch immer w?re ich leichter damit fertiggeworden, wenn ihn jemand umgebracht h?tte.

?H?r mal?, sagte Adam, als er aufstand und seine Hose hochzog. ?Wieso gehst du nicht rüber und haust dich aufs Ohr??

?Werde ich, aber jetzt noch nicht.?

?Das ist mein kleiner Bruder. St?ndig nachdenklich.? Er kratzte sich die Stirn, wirkte mit einem Mal so alt, dass mir Tr?nen in die Augen traten. Er l?chelte ersch?pft und ging aus der Küche. Dann drehte er sich noch einmal um, sein Gesicht verhüllt im Dunkel. ?L?sst dich das mit seinem Tod abschlie?en??

Ich wusste, Adam meinte nicht Elijah. Nach einem Moment sagte ich: ?Ich wei? es nicht.?

?Entschuldigung?, sagte Adam.

?Wofür??

Er zuckte mit den Schultern. ?Wei? ich nicht genau.?

?Wie auch immer … danke.?

?Ich liebe dich, Bro.?

?Yeah?, erwiderte ich, ?Ich liebe dich auch.?

Fünf Minuten sp?ter schlüpfte ich nur noch in Unterw?sche und Socken unter die kühlen Laken auf die Ausziehcouch meines Bruders. Ich gab acht, Jodie nicht zu wecken, doch als ich meinen Kopf aufs Kissen legte und ihrem Atem lauschte, erkannte ich, dass sie wach war.

?He du?, murmelte ich.

?Du wei?t, dass wir nicht hierbleiben k?nnen?, flüsterte sie mit dem Rücken zu mir.

?Ich wei?.?

?Er wird dir fehlen.?

Für einen kurzen Moment, dachte ich, sie meinte Elijah Dentman und meine Besessenheit zu ihm.

Als würde sie meine Gedanken lesen und müsse mir Klarheit verschaffen, pr?zisierte sie: ?Adam.?

Ich schloss meine Augen. ?Ja.?

?Es ist so traurig. Das war die Gelegenheit, euch wieder n?herzukommen.?

Zu meiner Verwunderung musste ich gegen Tr?nen ank?mpfen.

?Jodie??

?Was ist??

?Ich muss dir etwas sagen.? Meine Stimme erstarb wie ein verglühender Stern. ?Es geht um Kyle … was damals wirklich geschehen ist.?

Sie rutschte dichter zu mir. Ich spürte ihre W?rme. ?Gut?, entgegnete sie. ?Darauf warte ich schon lange.?





Kapitel 37




Das wahrscheinlich einzig erw?hnenswerte Ereignis w?hrend unserer letzten Tage in Westlake, Maryland, trug sich zwei N?chte vor unserer geplanten Abfahrt nach Kalifornien zu, wo nicht weit von San Diegos Gaslight Quarter ein nettes, kleines Appartement auf uns wartete. Ich hatte den letzten Monat damit verbracht, unsere Sachen zusammenzupacken und einen Gro?teil davon in einer privaten Lagerst?tte in der Stadt zu verwahren. Seitdem man Elijahs Leichnam aus dem Haus geborgen hatte, wollte Jodie nicht mehr dorthin zurückkehren, nicht einmal für eine Sekunde. Verübeln konnte ich es ihr nicht. Wir durften für den Rest der Zeit bei Adam und Beth wohnen, w?hrend ich versuchte, ein neues Zuhause für Jodie und mich zu finden – weit, weit weg von Westlake, dem Haus am See und der Trag?die der Dentmans.

Dafür lie? ich meine verbliebenen Kontakte aus College-Zeiten spielen. Ich schloss mich mit einem alten Bekannten kurz, einem Drehbuchautor in Los Angeles, der in erster Linie unser Telefongespr?ch dazu nutzte, mir zu gestehen, dass er auf den Erfolg seines Pseudonyms eifersüchtig war, und kurz vor einer klinischen Depression stand. Nichtsdestotrotz trug die Unterhaltung Früchte: Er wusste von einem Appartement, das erst kürzlich frei geworden war, und kannte den Eigentümer des Wohnhauses, in dem es sich befand, über den Freund eines Freundes und so weiter. Die Aussicht darauf, die kalten Winter zurückzulassen, gefiel Jodie, was bedeutete, dass sie auch mir gefiel.

Zwei Tage bevor der Trip quer durch die Staaten losgehen sollte, sa? ich ein letztes Mal im Tequila Mockingbird und wartete auf Adam, mit dem ich mich nach seinem Dienst treffen wollte. Ich hatte eine Karte vor mir ausgebreitet und markierte infrage kommende Strecken mit verschiedenfarbigen Stiften. Der Plan war, nichts dem Zufall zu überlassen. Wir wollten die Zeit nutzen, um das nachzuholen, was w?hrend der vergangenen Monate zwischen Jodie und mir zu kurz gekommen war.

?Hier.? Tooey servierte mir ein frisches Bier. ?Geht aufs Haus.?

?Das sieht richtig gut aus?, lobte ich, nachdem ich das Glas in die Hand genommen und gegen das Licht gehalten hatte. ?Denke, du hast endlich die perfekte Rezeptur.? Nach einem Schluck sagte ich: ?Wow, schmeckt gro?artig.?

?Danke, aber es ist ein Samuel Adams.? Er beugte sich über den Tresen, um auf die Karte zu schauen. ?Kalifornien, mh??

?Ich kann es selbst kaum glauben. Am Pazifik bin ich eigentlich noch nie gewesen.?

?Hatte mal eine Flamme dort.?

?Echt??

?Charlie hie? sie. Lustiger Name für ein M?dchen … Charlie …?

?Was ist passiert??

?Sie verlor den Verstand.?

?Ohne Witz??

?Ja. Sie war davon überzeugt, dass sich die Zeit ?ndert.?

?Die Zeiten ?ndern sich?, informierte ich ihn. ?Hat dir das nicht schon Bob Dylan gesagt??

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