Die Treppe im See(92)
?Ich wei? nicht, wie viel ich dir überhaupt sagen darf.?
?Tu es einfach.?
?Ich glaube, sie haben David und Veronica Dentman unter Arrest gestellt.?
?Wei? man jetzt, was mit dem kleinen Jungen passiert ist??
?Nein.? Mein Kopf lag auf ihrer Brust und ich sprach zu ihren Brüsten.
?Weshalb brauchten sie deine Hilfe??
?Informationen.? Ich konnte es nicht im Einzelnen ausführen, nicht jetzt. Wie aus dem Nichts packte mich die Ersch?pfung, als h?tte mir jemand eins übergezogen. ?Details. Dinge, die ich im Zuge meiner Nachforschungen in Erfahrung gebracht habe.?
?Mein schlauer Schriftsteller.? Sie gab mir einen Kuss auf den Kopf. ?Wow. Und stinkender Schriftsteller.?
?Ich geh duschen.?
Im Bad sch?lte ich mich aus meinen Klamotten und stellte mich unter den hei?en Strahl, bis er erkaltete. Als ich ins Schlafzimmer zurückkehrte, war die Leselampe aus, und Jodies leises Schnarchen übert?nte das Ticken der Uhr auf dem Gang.
Die Gestalt eines kleinen Jungen stand im Türrahmen. Um ihn genau zu erkennen, fehlte das Licht, aber ich wusste, dass es Elijah war.
?Was ist los??, wisperte ich. ?Was willst du noch??
Der Schatten schwebte ger?uschlos hinaus. Ich ging hinterher. Das Treppenhaus im Obergeschoss war verlassen, und Mondlicht fiel durch die Fenster auf den Boden. Ich stand auf der oberen Stufe und schaute in den dunklen Schacht der Diele. Die Uhr im Flur tickte lauter.
Elijah bewegte sich als Schatten vor noch dunkleren Hintergründen über den Flur.
Die Stufen unter meinen nackten Fü?en fühlten sich kalt an, als ich die Treppe hinunterging. Ich trug nur eine Jogginghose und war noch nass vom Duschen, eine G?nsehaut überzog meine Brust.
?Elijah!?, zischelte ich zwischen zusammengebissenen Z?hnen – etwa wie ein Vater, der sein Kind in der Kirche zum Schweigen anh?lt. ?Wo bist du??
Der Junge war zwischen Sofa und Beistelltisch, Lampen, Fernseher und Sesseln verschwunden. Von oben h?rte ich immer noch das Ticken der Wanduhr, das einzige Ger?usch, das sich unter mein verhaltenes Keuchen mischte.
Aber … es war nicht die Uhr …
Das Ger?usch kam von den Holzkl?tzen, auf dem Kaffeetischchen. Es war zu dunkel um sie zu sehen, aber ich konnte sie h?ren, nicht einmal fünf Fu? vor mir – klack, klack, klack. Langsam und gleichm??ig.
Ich bückte mich, um den Beistelltisch gegen das dumpfe Licht zu erkennen, das durch die Vorh?nge fiel. Mein Atem stockte: Die Kl?tze formten eine Pyramide, die sich schwarz gegen die Fenster abzeichnete, und als ich noch genauer hinschaute, sah ich einen auf den anderen stapeln, so als schwebten sie.
Ich hatte keine Angst. Vielmehr überkam mich seltsamer Gleichmut. Mein K?rper prickelte und ich hatte weiche Knie. Ich landete mit dem Hintern hart auf dem Boden. Neben mir erwachte die Heizlüftung zum Leben – ein Dr?hnen wie das Nebelhorn auf hoher See.
Etwas huschte am Fenster vorbei, definitiv der Umriss eines Kindes; pl?tzlich da und dann wieder verschwunden.
Ich spürte mein Herz bis zum Hals schlagen. Althea raunte in meinem Kopf: Eines Nachmittags spielte ich zwischen den Palmen, als ich durch die ?ste ein kleines M?dchen auf dem anderen Feld sah. Die Erinnerung an ihre Worte lie? mich aufspringen.
Ich konnte ihn h?ren, wie er sich hinter dem Sofa regte, dann vor der hohen Kommode, das Ger?usch kleiner nackter Fü?e bis auf den Fransenteppich. Er bewegte sich schnell.
Ich rief seinen Namen, mein Atem rasselte durch zusammengebissene Z?hne. Dann hechtete ich blindlings im Dunkeln auf das Ger?usch zu, doch jedes Mal, wenn ich die Stelle erreichte, an der ich ihn vermutete, h?rte ich ihn aus einer anderen Ecke. Er flatterte umher wie ein verst?rter Vogel, der sich ins Haus verirrt hatte und in verzweifelter Panik wieder hinausfinden wollte.
Es gibt keine Welt mehr dort drau?en, kam mir in den Sinn. Wir alle sind unter Wasser.
Ungewissheit packte mich pl?tzlich. Ich verharrte mit dem Rücken an der Wand und lauschte der Bewegung im Raum. Einen Augenblick sp?ter durchzuckte meine rechte Schulter ein Schock, es fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag, der durch meinen Arm fuhr, die Energie strahlte aus meinen Fingerspitzen und verflüchtigte sich im finsteren Raum.
Er hat mich berührt, stellte ich fest und begann zu zittern.
Dann waren die Schritte am anderen Ende der Diele. In einer Mischung aus Furcht und Perplexit?t horchte ich, ohne mich zu rühren. Die Kellertür flog auf, so heftig, dass ich glaubte, sie werde aus den Angeln gerissen. Die Schritte, die folgten, waren eindeutig; jede einzelne Stufe knarrte unter einem imagin?ren Gewicht, und mein Herz schlug wie ein Echo. Als es auf der Diele still wurde, hallten die Ger?usche durch den Heizungsschacht zu meinen Fü?en wider: Unruhe und Erschütterungen von jemandem, der dort unten im Keller rumorte. Ein tiefes resonantes Klappern kam durch die Rohre, vermutlich aus dem Inneren des Heizungskessels.
Zuletzt wurde es totenstill. So schnell, als h?tte mir jemand Watte in die Ohren gestopft, oder wie vom Schlachtfeld in einen stillen Bunker.
Ich stand sehr lange einfach nur da, bevor ich wieder Herr über meine Muskeln wurde. Als es so weit war, wagte ich mich in den Keller und tappte über den eiskalten Betonboden. Ich schaltete das Deckenlicht ein, beschattete meine Augen, bis sie sich an die Helligkeit gew?hnten, und ging mit ausgestrecktem Arm auf die Heizung zu. Mit Bestimmtheit n?herte ich mich dem Ofen und ?ffnete die Kolben in der Metallverblendung. Dahinter kam eine Eisenklappe zum Vorschein, ich hob sie an und schaute in die finstere Luke. Es kam einem Blick in den Bauch eines altertümlichen Roboters gleich.