Die Treppe im See(8)



?Jetzt k?nnen wir alles nachholen?, stellte ich in Aussicht.

Er nickte einmal flüchtig. ?Gut. Das w?re toll. Nichts lieber als das.?

?Also ist die Sache vom Tisch. Schwamm drüber. Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Schnee von gestern und alle anderen Sprüche, die mir gerade nicht einfallen wollen.?

Adam gluckste und nippte am Portwein. ?Ich sollte besser wieder zurück – au?er du willst dir mit mir mit dem Rest von diesem Zeug die Kante geben??

?Nein, danke.?

?Willst du dir lieber allein die Kante geben? Ich lass dir die Flasche hier.?

Ich l?chelte. ?Morgen vielleicht.?

Adam hievte sich vom Gel?nder ab. ?Na gut.? Er kratzte sich mit seinen langen Fingern am unrasierten Hals, was sich anh?rte, als bearbeite er die Haut mit Schmirgelpapier. Mir d?mmerte, dass er sich den Mut, mir sein Herz auszuschütten, gr??tenteils angetrunken hatte. ?Du wei?t ja, wo du mich findest. Fühl dich bei uns wie zu Hause.?

?Es tut gut, dich wiederzusehen?, rief ich ihm hinterher, w?hrend er durch den Schnee zurück zu den B?umen trottete.

Er hob eine Hand als Antwort, ohne sich umzudrehen.

Ich schaute ihm nach, bis ihn die Dunkelheit verschluckte.





Kapitel 4




Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf hoch.

Wo bin ich?

Mein Herz pochte in meiner Brust, ich spürte eine erstickende Panik in meinem K?rper aufwallen, es dauerte Sekunden mich daran zu erinnern, wo ich war. Wir waren nicht mehr in jener verschrobenen, kleinen Wohnung im Norden Londons; wir lagen im neuen Schlafzimmer unseres neuen Hauses in Westlake, Maryland.

Nur ein Traum … ein schlechter Traum …

Neben mir schlief Jodie ger?uschvoll. Ihre Fü?e und Beine, wohlig und warm, waren unter der Decke an meine geschmiegt. Einen Augenblick lang betrachtete ich sie, meine Augen gew?hnten sich langsam an das Dunkel des Raumes.

Es war noch jemand hier.

Dies d?mmerte mir in keinem klaren Gedanken, sondern weil sich meine Nackenhaare aufrichteten, als ich mich aufsetzte. Ich war mir dessen instinktiv bewusst, wohl aufgrund einer Art ursprünglicher Vorahnung, und konnte es mir deshalb nicht rational erkl?ren. Trotzdem spürte ich sie mit einem Mal, diese seltsame, unsichtbare Pr?senz.

Ich starrte auf die offene Zimmertür gegenüber. Es war zu dunkel um etwas klar erkennen zu k?nnen. Wenn ich lange genug in den Raum starrte, mochte ich mir alles M?gliche zurechtspinnen.

Vorsichtig schlug ich die Decke zurück und verlie? das Bett. Das Haus kam mir im Dunkeln noch fremder vor. Auf dem Flur des Obergeschosses fand ich mich schlie?lich zurecht, indem ich mit einer Hand an der Wand entlangtastete, bis ich das Treppenhaus erreichte. Um mich herum knarzte das Haus im Wind. Ich beugte mich über das Gel?nder. Geisterhafte Rechtecke des Mondlichtes schimmerten auf dem Teppich. Irgendwo im Bauch des Hauses z?hlte eine Uhr laut tickend die Sekunden.

Mein Atem stockte, als ich einer kleinen Gestalt in der hinteren Ecke der Diele gewahr wurde – sie war ein noch schw?rzerer Fleck inmitten der Dunkelheit. Ich machte einen Kopf aus, eine Wange und den Verlauf des Halses. Je l?nger ich die Gestalt anstarrte, desto undeutlicher erschien mir der Mensch, als blickte man direkt auf einen entfernten Stern, der verschwamm, sobald man ihn fixierte. Nach einigen weiteren Herzschl?gen hob sich die Gestalt nicht mehr gro?artig von der Unzahl unausgepackter Kisten und M?bel ab.

Unten zog ich meinen Parka an, weil ich nichts au?er einem Unterhemd und der Pyjamahose trug. Dann schlüpfte ich in die Turnschuhe, die noch an der Haustür standen. Mit einer Hand kramte ich bereits in der Tasche nach meinen Zigaretten und dem Feuerzeug.

Als ich in die Nacht trat, brach die K?lte erbarmungslos über mich herein. Mit einem Mal spürte ich meinen K?rper mit jedem Molekül, und selbst in dem Parka bekam ich G?nsehaut an den Armen. Schlotternd merkte ich, wie sich meine Hoden in den Unterleib zurückzogen. Nachdem ich die Zigarette mit zittrigen H?nden angezündet hatte, zog ich kr?ftig daran – ich hatte es bitter n?tig.

W?hrend ich Adams Fu?spuren im perlwei?en Schnee betrachtete, fiel mir unsere jüngste Unterhaltung wieder ein. Ich wollte sie aber nicht gerade jetzt noch einmal Revue passieren lassen, also schlenderte ich neben das Haus und blieb vor einer Baumgruppe stehen. Die Ecke hielt den bei?enden Wind vorübergehend fern. Der Garten wirkte teuer, surreal, unberührt. Vor mir erstreckte sich ein Fleck im Schnee, mein Schatten war riesig. Die Reinheit des Territoriums.

Ich bildete mir ein, ich sah eine Gestalt sich nur wenige Meter entfernt im Dunklen bewegen. Sie schien flugs aus dem Schutz der B?ume über den Rasen zu huschen. Ihre Umrisse zeichneten sich einen Moment lang vor dem mondbeschienenen See ab. Ich erstarrte mehrere Sekunden, vorbereitend auf die Rückkehr der Gestalt. Da sie allerdings auf sich warten lie?, begann ich, meinen Augen zu misstrauen, genauso wie gerade eben drinnen.

Schlie?lich ging ich weiter auf den Hinterhof. Bei den meisten B?umen handelte es sich um Tannen, die in dichtem Winterkleid ihr Bestes gaben, um das Mondlicht abzuhalten. Weiter im Hintergrund standen Reihen hoher Eichen, die ohne Laub nunmehr wie Gerippe aussahen. Von meiner Warte aus erkannte ich einen einzelnen Lichtfleck, der auf der zugefrorenen Wasseroberfl?che glitzerte.

Ich schlug mich weiter durch die B?ume vorw?rts. Der Wind war erbarmungslos, biss sich in jede freie Stelle meines Fleisches, und ich schlang die Arme um meinen Oberk?rper, um mich zu w?rmen. Tr?nen str?mten aus meinen Augen, brannten auf meiner Haut und erstarrten zuletzt an meinen Wangen. Je n?her ich dem Ufer kam, desto steiler fiel die B?schung ab, und der Schnee war nicht mehr so tief. Beim Auftreten durchbrach ich eine dünne Eisschicht und sank mit meinem Turnschuh etwas ein. Augenblicklich sickerte kaltes Wasser hinein und lie? meinen Fu? erstarren.

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