Die Treppe im See(40)
?Sie haben das Haus gekauft, wie wir es hinterlassen haben.?
?Wie bitte??
?Das Haus. Die Bank h?tte Sie in Kenntnis setzen sollen. Was dortgeblieben ist, geh?rt nun Ihnen.? ?Sie missverstehen mich. Ich bin nicht hier, um mich zu beschweren, sondern wollte blo? …?
?Glasgow ist ein Cop?, sagte er. ?Ich kenne den Namen.?
?Ich bin kein Cop. Sie meinen Adam Glasgow, der ein Stück weit gegenüber von Ihrem alten Haus wohnt. Er ist ein Cop. Er ist mein Bruder.?
?Hat er Sie hergeschickt??
?Nein?, beharrte ich. Meine Beklommenheit schwand rasch, und ich wurde wütend. ?H?ren Sie, David, ich dachte einfach –?
?Sch?tze, Sie h?ren besser zu?, unterbrach er erneut, indem er einen Schritt auf mich zukam, woraufhin sich meine Eingeweide verkrampften. ?Meine Schwester ist mit mir weggezogen, um zu vergessen, was in Westlake passierte. Wir brauchen mit Sicherheit niemanden, der pl?tzlich auf der Matte steht und uns daran erinnert, verstehen Sie??
?Ich verstehe, dass Sie mich vollkommen falsch einsch?tzen.?
Er hielt mir einen ausgestreckten Zeigefinger vor, so dicht, dass ich quasi die H?rchen auf seinem Handrücken z?hlen konnte. ?Sie stehen jetzt in meinem Haus, mein Freund, und zwar ungebeten. Lassen Sie sich das beim n?chsten Mal besser durch den Kopf gehen, bevor Sie hereinplatzen.? Er ?ffnete das Fliegengitter mit dem Fu?. ?Es ist wohl an der Zeit zu gehen, meinen Sie nicht??
Auf dem Weg zur Tür wollte ich Veronica einen Blick zuwerfen. Sie hatte die ganze Zeit über geschwiegen, also hoffte ich, ihren Gesichtsausdruck auf die eine oder andere Weise deuten zu k?nnen, um diese seltsame Auseinandersetzung zu begreifen. Leider war sie nicht mehr da, sondern aller Wahrscheinlichkeit in den Nebenraum gegangen, w?hrend ich mich darauf gefasst machte, dass ihr Bruder mich windelweich prügelte.
?H?ren Sie?, sprach ich zu ihm, nachdem ich die Schwelle nach drau?en überschritten hatte. ?Es tut mir leid. Ich schw?re, ich dachte mir nichts weiter dabei.?
Abgesehen davon, dass er mir die Tür vor der Nase zuschlug, gab David Dentman keine Antwort.
Kapitel 17
Das Fieber brach aus, gnadenlos und mit Schüttelkr?mpfen. Die folgenden Tage verbrachte ich im Zustand geistiger Umnachtung. Meine Tr?ume – soweit ich mich an sie erinnere – waren wechselhaft und paranoid, wie der Film eines Regisseurs auf einem schlechten LSD-Trip.
In einem rannte ich einen dunklen, schmalen Gang entlang, W?nde, Boden und Decke rückten immer enger zusammen, bis ich wie ein kleines Kind auf allen vieren kriechen musste. Irgendwann erreichte ich eine winzige Tür wie in Alice im Wunderland. Sie schien aus mehreren bunten Holzst?bchen zu bestehen, die wie Bambusrohre eines Flo?es verflochten waren.
Ich stie? die Tür auf und zw?ngte mich hindurch. Wie ein lebendiges Wesen schien die Finsternis meinen Brustkorb zu umschlingen. Vor mir ver?nderte sie sich. Formen – ob handfest oder eingebildet – n?herten sich und verschwanden wieder in der Ferne wie im provozierenden Spiel. Licht erhellte ein kleines Vestibül. Nicht weit entfernt schmiegten sich vier haarlose, blinde Kreaturen in ein Gewebe aus ?sten mit toten Bl?ttern und durchn?sstem Zeitungspapier. Sie hatten graue Haut ?hnlich einer Wasserleiche und bewegten sich nur unmerklich.
Ich klemmte zwischen W?nden oder unterschiedlichen Wirklichkeiten, zu denen auch das Kinderzimmer im Keller geh?rte. Hier herrscht Klarheit. Ich roch etwas widerlich Sü?es und dachte an Kamillentee. Dann brauste und grollte es laut hinter mir. Die W?nde begannen zu wackeln, und im selben Augenblick der Kopflosigkeit flutete Wasser den Gang, in dem ich feststeckte. Es war so kalt, dass es wehtat. Ich ertrank.
In einem anderen Traum zitterte ich vor N?sse. Ein Handtuch lag wie ein Umhang auf meinen Schultern, und Detective Wren fragte mich, was in jener Nacht am Fluss geschehen sei. Hinter ihm kroch langsam die Sonne am Horizont herauf, w?hrend weitere uniformierte Police Officers die Waldwege patrouillierten und das Gebiet mit gelbem Band absperrten. Ich h?rte die Motoren ihrer Boote an der Anlegestelle und roch den Diesel, den ihre Auspuffrohre in die Bucht pusteten.
Pl?tzlich trug Detective Wren eine Riesenlast von Büchern auf den Armen. Er warf sie auf einen Tisch, der augenblicklich vor uns auftauchte, denn wir befanden uns in einem Verh?rraum mit grün fluoreszierenden, summenden Lampen und farblosen Betonw?nden.
?Sind das deine Bücher??, fragte er. ?Hast du sie geschrieben??
Ich nickte.
?Wie bist du darauf gekommen??
Ich antwortete, dass ich es nicht wüsste.
?Alles, was du darin beschrieben hast, ist gestern am Fluss passiert.? Der Detective war ein Riesenkerl mit ?liger Haut und scharfem bis in die Seele dringenden Blick. ?Alles, Junge, ist so passiert, wie es auf diesen Seiten steht.? Detective Wren fuhr fort, weshalb ich vermutete, alles sei von langer Hand geplant.
Ich schluchzte und beharrte darauf, es nicht absichtlich getan zu haben.
Wren schaute mich ver?chtlich an, ehe seine Gesichtsmuskeln erschlafften. Er verf?rbte sich dunkelrot, die Augen traten hervor und richteten sich an den Seiten seines rasch schmaler werdenden Sch?dels aus. Die Arme zogen sich ins zerknitterte Hemd zurück, und die Hose schlackerte an seiner Taille, bis sie schlicht auf den Boden rutschte. Was dann vor mir lag, waren mitnichten Beine, sondern der gewundene K?rper eines Aals. Entsetzt schaute ich zu, wie Detective Wren als enorm gro?er Fisch aus seinem Anzug schlüpfte und über den schlammigen Uferhügel kroch, ehe er in den dunklen Fluss platschte. Dann zeigte sich eine Rückenflosse ?hnlich der eines Hais, und er schwamm im Zickzack durch die schwarzen Fluten davon.