Die Treppe im See(35)



Es klang wie eine Stimme.

Irgendein Teil meiner selbst, der sich für die animalischen Instinkte am Grunde meiner Seele verantwortlich zeigte, flammte auf und übernahm nun die Zügel. Ich presste ein Ohr an den Schlitz und lauschte – ein unbestimmter, langgezogener i-Laut, hinter dem ich allenthalben vage schwaches Wispern ausmachte –, dann vibrierte der Heizkessel und schaltete wieder ab. Das Stottern aus seinem Inneren t?nte wie verebbendes Gel?chter in einem übervollen Zuschauerraum. Jetzt erst, w?hrend ich immer noch mit dem Ohr am Metallgitter klebte, bemerkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte. So atmete ich mit bebenden Lungen aus; einen Augenblick sp?ter war mir, als tat jemand auf der anderen Seite des Schlitzes das Gleiche.

Ich fuhr hoch, wobei mein Herz wie ein wildes Tier gegen die Rippen zu dr?ngte, die es beengten.

Nach weniger als zehn Sekunden stand ich am Absatz der Kellertreppe und schaute hinunter in das unendliche, nicht fassbare Dunkel. Meine Hand am Türknauf schwitzte. ?Genug?, sagte ich laut, obwohl meine Stimme kaum so bestimmt klang, wie ich es mir wünschte. ?Das muss aufh?ren.?

Ich verharrte einen Augenblick, wollte mir aber nicht eingestehen, dass ich eine Art Antwort von unten befürchtete, sie aber auch dringlich erwartete, vielleicht ein flüchtiges Schaben oder sogar den Blick eines glühenden Augenpaares vom Fu? der Treppe. Nichts von alledem passierte.

Fr?stelnd ging ich zu Bett.





Kapitel 14




?Ich will ein paar von Elijahs Sachen zurück zu seiner Mutter bringen?, sagte ich.

Die Sonne schien an diesem Morgen im Januar, und die Luft roch nach Mesquiteb?umen. Adam und ich spazierten um den See. Jeder von uns hielt einen dampfenden Pappbecher Kaffee in der Hand. Vor uns tollten Jacob und Madison zwischen den B?umen herum, lieferten sich eine Schneeballschlacht. Ihr Lachen klang wie Kirchenglocken. Im Vergleich zu den vergangenen Wochen war es milder geworden, doch das Eis auf dem See war nach wie vor dick und sah nicht so aus, als werde es allzu bald schmelzen. Der unverhofft klare Himmel zeichnete die Gebirgskette am Horizont reliefartig scharf nach.

Adam nippte an seinem Kaffee und fuhr gleich darauf mit dem Handrücken über seinen Mund. ?Wieso?? Er blickte hinaus auf den gefrorenen See und die Reihen Schwarzkiefern am Gegenufer. Seine stahlblauen Augen blickten nüchtern. Wei? dampfender Atem quoll zwischen seinen aufgesprungenen Lippen heraus.

?Schwer zu erkl?ren?, erwiderte ich. ?Ich habe einfach das Gefühl, es tun zu müssen – für mich selbst, vielleicht aber auch für die Mutter.?

Er strafte mich mit einem strengen Blick.

Ich fügte schnell an: ?Es geht darum, einen Mittelweg zu finden, denk daran. Das Glück liegt in der Ausgewogenheit, über das wir bei Tooey gequatscht haben.?

?Warum erz?hlst du mir das??

?Weil ich annehme, du wei?t, wo Veronica Dentman lebt. Zumindest k?nntest du es für mich herausfinden, denn immerhin bist du Polizist.?

Sein Lachen donnerte wie ein Feuerwerksk?rper.

?Was denn? Bin ich ein Arschloch, nur weil ich etwas tun m?chte, von dem ich glaube, dass es eine hehre Sache ist??

?Das haben wir schon durchgekaut. Veronica Dentman lie? dieses Zeug aus gutem Grund zurück. Ob du ihre Entscheidung guthei?t oder nicht, ist ehrlich gesagt ziemlich egal. Ich dachte, du h?ttest eine R?umungsfirma beauftragt, um die Sachen abzuholen.?

?Das wird noch eine Woche dauern?, antwortete ich. Es war gelogen, denn erst am Morgen hatte ich die Leute wieder angerufen und abgesagt. Jodie wusste nichts davon, und auch Adam sollte es nicht erfahren. Nach dem, was in der Nacht geschehen war, sowie allen anderen Vorkommnissen im Zusammenhang mit unserem Umzug nach Westlake hielt ich es für unangebracht, dass Fremde einmarschierten und Elijahs pers?nliche Gegenst?nde sehr wahrscheinlich zerst?rten.

?Ich halte das für eine schlechte Idee.?

?Da irrst du dich.?

?Tu ich nicht. Ich denke, du übertrittst eine Grenze, indem du dich in anderer Leute Leben einmischst. Diese Frau hat ihren Sohn letztes Jahr verloren; als sie all die Kartons zurücklie?, wusste sie genau, was sie tat.?

?Siehst du? Exakt darum geht es?, konterte ich. ?Ich glaube, dass sie es eben nicht wusste. Gut, vielleicht war es zu jener Zeit am besten für sie, sich auf diese Weise Luft zu verschaffen, aber nachdem nun eine Weile verstrichen ist, würde sie sich bestimmt darüber freuen, die Sachen wiederzubekommen.?

?Wer bist du, Dr. Phil??

?Ich meine es ernst. Was ist, wenn sie es bereut, den Kram nicht mitgenommen zu haben? Falls sie es im Nachhinein als kapitalen Fehler ansieht, für den sie sich selbst hasst??

?Auch wenn dem so w?re: Was kümmert es dich??

Weil etwas in diesem Haus wollte, dass ich das Zimmer fand, h?tte ich fast gesagt. Ich stie? aus gutem Grund auf all diese Dinge.

Wir erreichten eine Lichtung im Wald an der Spitze des Sees. Gegenüber sah ich das Haus der Steins hinter den nackten, grauen B?umen auf den Felsen. Wir setzten uns auf einen Baumstumpf, der breit genug für uns beide war, w?hrend Jacob und Madison weiter durch den Schnee sprangen, der von ihren Stiefeln br?ckelte und in die H?he stob, als sie beim Rennen mit den Hacken ausschlugen.

Adam bot mir eine Zigarette an. Ich nahm sie. Nachdem er sich die letzte in den Mund gesteckt hatte, zerknüllte er das leere P?ckchen und entsorgte es in einem Blecheimer, der praktischerweise an den Stamm eines nebenstehenden Baumes genagelt war.

Ich hatte seine Frage nicht beantwortet; sie schwebte noch zwischen uns in der Luft wie etwas, das wir beide peinlich fanden.

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