Die Treppe im See(20)
?Schei?e.? Adam nahm die Zigarre wieder aus dem Mund und schaute sie an, als sehe er zum ersten Mal eine. ?Muss ich das Kind wirklich beim Namen nennen??
Es war nicht notwendig. Ich wusste, dass er sich wegen Kyles Schicksal über Elijah Dentman ausgeschwiegen hatte. Dazu musste ich mein Gehirn nicht zermartern. Dennoch war ich ver?rgert über seine überfürsorge. Ich war kein verdammtes Kind mehr. ?Denkst du, ich h?tte das Haus mit diesem Hintergrund nicht gekauft??
Er schaute mich an. Sein Blick war stechend. Nüchtern. ?H?ttest du??
Entt?uscht schüttelte ich den Kopf und starrte hinaus in die Finsternis. ?Manchmal glaube ich, du kennst mich überhaupt nicht.?
?Ich mache mir Sorgen um dich.?
?Brauchst du nicht.?
?Ich bin dein gro?er Bruder. Das ist mein Job.?
?Lass es bleiben.? Mehrere Herzschl?ge lang herrschte bedrückendes Schweigen zwischen uns. ?Riecht nach Weihnachten?, durchbrach ich es schlie?lich, um gleichzeitig das Thema zu wechseln. ?Die Luft. Irgendwie rauchig hier.?
?Liegt an den Kiefern.?
?Wei?t du noch? Als Kids hatten wir immer einen echten Baum zu Heiligabend.?
?Na klar.?
?Jodie und ich, haben es uns in London angew?hnt, einen aus Plastik aufzustellen. Das hat sich selbst zur Tradition entwickelt. Oder die Tradition ein wenig verf?lscht, sch?tze ich. Ein Fake-Baum …?
Adam kicherte. ?Wir haben auch so einen.?
?Sie riechen einfach nicht so.?
?Nicht nach Weihnachten?, best?tigte er.
?Absolut überhaupt nicht?, pflichtete ich bei. ?Erz?hl Jodie nichts davon, okay? über den ertrunkenen Jungen, meine ich.?
?Werde ich nicht.?
?Du hast Recht. Es braucht uns nicht zu interessieren.?
?Ich bin froh, dass du mir zustimmst.? Er legte mir eine Hand auf die Schulter.
Die Schw?rze der Nacht vor uns schien die ganze Welt auszumachen. Meinem wie wohl auch Adams Empfinden nach mochten wir die beiden einzigen Menschen im kalten, dunklen Antlitz des Planeten sein.
Teil zwei.
Das sch?ne am geheimnissvollen
Kapitel 8
Die Weihnachtszeit kam und ging. Silvester feierten wir mit Adams Familie im Tequila Mockingbird, Tooey Jones‘ Pub, unweit der Hauptstra?e. Ein schwerer Schnellfall bedeckte die Stadt von Westlake in der ersten J?nnerwoche, und die ?ltesten verkündeten den k?ltesten Winter, den sie je gesehen hatten, seit sie Jungs waren. Zusammen mussten sie schon dreihundert Jahre alt sein.
Abgesehen von der nicht verl?sslichen Heizung im Keller machte uns das Haus wenig Kummer. Am zweiten Januar untersuchte ein Monteur vom ?rtlichen Gasunternehmen das Ger?t und meinte, es sei alles in Ordnung. Dann schaute er sich das Thermostat im Erdgeschoss an, das konstant zwanzig Grad anzeigte. ?Kann sein, dass es kaputt ist?, vermutete er. ?Sie müssen einen Termin vereinbaren, damit sich jemand anders von der Firma darum kümmert.?
Waterview verkaufte sich blendend, und die Kritiken, die mein Verleger von Websites und aus verschiedenen Printmedien zusammentrug, konnten sich ebenfalls sehen lassen. So gut diese Neuigkeiten auch waren, versuchte ich dennoch, meiner Lektorin Holly Dreher aus dem Weg zu gehen, weil ich keinen einzigen Satz an meinem neuen Buch geschrieben hatte, seit wir aus London fortgezogen waren. Aus welchen Gründen auch immer, blockierte eine unerschütterliche Backsteinmauer den Gedankenfluss in meinem Hirn. Natürlich wusste ich, dass ich diesen Spie?rutenlauf nicht ewig fortführen konnte.
Eines trist-grauen Nachmittags, als die nackten Zweige der B?ume schlackernd von einem heraufziehenden Sturm kündeten, l?utete mein Handy in der Küche. Ein beharrliches Zirpen im leeren Haus. (Beth hatte Jodie zu einer Shoppingtour in die Stadt überredet.) Ich starrte gerade auf eine leere Blockseite und klopfte mit dem Kugelschreiber gegen mein Handgelenk. Weil Gott genauso wie jeder Mensch auf Ironie steht, war ich mir sicher, dass Holly anrief, und siehe da, als ich das Ger?t von der Arbeitsplatte schnappte, zeigte es die Vorwahl 212 an: New York. ?Hey, Holly.?
?Ich dachte schon, du seist dort drau?en gestorben, Travis.? Ihr Tonfall lie? eindeutig erkennen, dass ihr klar war, dass ich sie gemieden hatte wie die Pest.
?Nein. Ich lebe noch und bin wohlauf.?
?Was sollte ich denken nach all den Nachrichten, die ich dir hinterlie?, von wegen du sollst mich zurückrufen.? Sie seufzte. Ich h?rte, wie sie sich eine Zigarette ansteckte. ?Wie ist das neue Haus??
?Wir müssen noch etwas Arbeit hineinstecken.?
?Um Gottes willen, du ziehst doch nicht etwa W?nde hoch oder rei?t welche ein.?
?Nein, so schlimm ist es nicht.?
?Auf die letzten E-Mails hast du auch nicht reagiert.?
?Unsere Internetverbindung ist mehr schlecht als recht.? Das war nicht gelogen, denn wir hatten tats?chlich Schwierigkeiten damit. Und beim Provider hatten wir bereits Beschwerde eingelegt, wo man jedoch alle Vorwürfe von sich wies. Trotzdem: Selbst wenn ich l?nger als ein paar flüchtige Minuten h?tte surfen k?nnen, bevor die Verbindung abbrach, w?re ich au?erstande gewesen, Hollys Nachrichten im Zuge der Schreibblockade abzurufen, unter der ich litt.
?Also h?r mal, es ist nicht zu viel verlangt, deinen Hintern in die n?chste Bibliothek zu schwingen und einer Freundin zumindest Bescheid zu geben, dass es dir gut geht. Capisce??
?Ich hatte bisher kaum Zeit, mich in der Stadt umzusehen. Keine Ahnung, ob es überhaupt eine Bibliothek gibt. Du kannst dir sicher ausmalen, wie es am Arsch der Welt zugeht.?
?Gott. Erinnere mich nicht daran. Mein Geburtsort liegt in Pennsylvania und hei?t Inzest, erinnerst du dich??