Die Treppe im See(18)



Ich setzte das Glas an, nippte kurz und versuchte, mich nicht angewidert zu str?uben. ?Uah …?

Tooey lachte wieder. ?Und??

?K?stlich.?

?Komm schon, sei ehrlich.?

?Ich bin neu hier?, erinnerte ich ihn. ?Ich wei? nicht, ob ich das tun sollte. Heute Abend wollte ich neue Freunde gewinnen.?

?Komm schon, raus damit!?

Ich verzog das Gesicht. ?Es ist grauenhaft. Es schmeckt wie eine Mischung aus Motor?l und Hustensaft.?

?Ahhhh! Du meinst also, ich sollte den Hustensaft reduzieren.?

?Oder das viele ?l?, schlug ich vor.

Nachdem er mich zum Versuchskaninchen erkoren hatte, schickten sich einige der mutigeren Nachbarn an, ebenfalls von Tooeys Gebr?u zu kosten. Angeekelte Grimassen überwogen.

?Austrinken, M?nner?, gebot Adam neben mir. Er schaute verlegen auf sein eigenes Glas. ?Das geh?rt zur Tradition.?

Ich stellte mir Tooey Jones als durchgeknallten Forscher im Getr?nkekeller des Tequila Mockingbird vor, wo Reagenzgl?ser blubberten und rauchende Ampullen an zahllosen Klammern hingen, ein Netz aus Zugrollen und Haken über seinem Kopf, w?hrend er seine jüngste Sch?pfung zusammenbraute.

Eine Handvoll M?nner tauchte in der Küchentür auf, nachdem sie die Frauen im Wohnzimmer allein gelassen hatten – genau zur rechten Zeit, als wir die letzten Tropfen Tooeys Tonic hinuntergewürgt hatten.

Mitchell Denault nickte und trat auf mich zu. ?Ich will dich nicht in Verlegenheit bringen.? Ein paar Gefolgsleute harrten hinter ihm aus. ?Kannst du dich hierauf verewigen?? Wie ein Glücksspielk?nig in Las Vegas, der ein Royal Flush pr?sentierte, knallte er die Taschenbuchausgabe meines letzten Romans Waterview auf die Anrichte.

Dick Copeland, einer der Typen hinter ihm und von Beruf Anwalt, tastete die Brusttasche seines Oxford-Hemdes ab, vermutlich nach einem Kugelschreiber.

?Verstehe, Adam will sich also seine fünfzehn Prozent am Gewinn verdient machen, indem er die Werbetrommel für meine Arbeit rührt.? Ich nahm das Buch zur Hand und schlug die erste Seite auf. Das Papier war makellos, und auch der Rücken zeigte keine Knicke; das Exemplar war eindeutig erst kürzlich gekauft worden und daher noch ungelesen. Dick holte seinen Stift heraus und überreichte ihn mir nerv?s wie ein Zehnj?hriger beim Vorlegen seiner Zensuren. Ich signierte das Buch und schob es über die Arbeitsplatte, damit sich Mitchell, Dick und sein Gefolge nicht gro?artig danach ausstrecken mussten.

Gegen zehn Uhr brachen die meisten G?ste auf. Ich schüttelte H?nde und setzte ein L?cheln auf, w?hrend ich mich von Menschen zum Dinner einladen lie?, die ich immer noch kaum kannte. Ein paar wenige blieben. Die Frauen belagerten immer noch das Wohnzimmer, nur dass sie nun leise redeten, in dieser geheimnisvollen Art, wie nur Frauen es konnten. Die wenigen verbliebenen M?nner lungerten in der Küche herum, naschten am Rest des Dips und tranken den harten Alkohol aus.

Ich hatte zu viel intus. Irgendwann im Laufe des Abends war ich abgestumpft, wie es stets in Aussicht stand, wenn man über Gebühr trank. Andererseits wurden die Neugierigen unter den verbliebenen G?sten dadurch ertr?glicher, und so wie der Abend ausklang, plauderten wir relativ ungezwungen.

Ich ging zum Buffet, um ein paar Reste zusammenzuklauben. Meinen Teller balancierte ich auf einer flachen Hand, w?hrend ich ein Fordham-Bier in der anderen hielt.

Neben mir am Tisch stand ein Mann. Er hatte ein zierliches, kantiges Gesicht und dunkle Augen wie ?lflecke hinter dicken Brillengl?sern ohne Fassung. Seine Brauen sahen wie Nester aus Stahlwolle aus, und sein Gesicht war von kr?ftig roten ?derchen durchzogen, die ihn als ausgewiesenen Trinker entlarvten. Ich sch?tzte ihn auf Mitte fünfzig.

?Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt?, begann ich, nachdem ich mein Bier auf dem Buffet abgestellt hatte, und bot ihm die Hand an. Obwohl ich sturzbetrunken war, verspürte ich einen Anflug von Nüchternheit. ?Ich bin Travis Glasgow.?

Er erwiderte die Geste. Sein H?ndedruck war lasch und w?hrte nicht lang. Dieser Mensch mochte es nicht, andere H?nde zu schütteln. ?Ira Stein. Sie und Ihre Frau sind neu hier, nicht wahr??

?Ja, wir wohnen erst seit einer Woche in der Stadt. Bis Adam uns erz?hlte, das Haus der Dentmans stehe zum Verkauf, lebten wir in London.?

?Nancy und ich wohnen gleich nebenan. Selbst jetzt, da die B?ume keine Bl?tter tragen, sehen Sie unser Haus kaum.?

?Dann geh?rt Ihnen die Blockhütte am See?, schlussfolgerte ich und dachte an den rauchenden Schornstein an jenem grauen Tag, als ich am Ufer entlang nach Norden spaziert war. ?Der Ausblick dort ist fabelhaft.?

Ira nickte fast mechanisch. ?Wirklich sehr sch?n, ja.?

?Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir es so billig bekommen haben.?

?Nun, wir hei?en Sie und Ihre Frau …?

?Jodie.?

?Wir hei?en Sie und Ihre Frau Jodie herzlich willkommen. Die Dentmans waren eine recht eigentümliche Familie, wie Sie vielleicht schon erfahren haben. Nicht dass ich schlecht über diese bedauernswerten Leute sprechen m?chte, vor allem nach dem, was ihnen passiert ist, aber dennoch: Sie waren seltsam.?

?Was meinen Sie damit? Was ist mit ihnen geschehen??

?Ich rede von dem Unglück. Die Sache mit dem Jungen.?

Ich schüttelte den Kopf. Abgefüllt vom Alkohol kam mir ein schiefes Grinsen über die Lippen. ?Tut mir leid, aber ich habe keinen Schimmer, worauf Sie anspielen.?

?Den Sohn der Dentmans.? Er zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

?Was ist mit ihm??

?Oh.? Ira starrte zuerst auf seinen Teller, auf dem nur ein paar Olivenkerne sowie ein Fechtdegen nachempfundener Plastikzahnstocher lagen. Dann durch den Raum zu einer dünnen und neurotisch wirkenden Frau. Das musste seine Gattin Nancy sein. Sie lehnte an der Wand und beobachtete die anderen im nunmehr stillen Wohnzimmer beim Plaudern. Derart losgel?st von der Gruppe h?tte sie genauso gut eine Lampe oder schmucke Statue auf einem Beistelltisch sein k?nnen.

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