Die Treppe im See(13)



Jodie las mich auf, w?hrend Beth mich Arschloch nannte und mir zu verstehen gab, ich soll mich verdammt noch mal aus ihrem Haus verpissen. Ich schleuderte ein Trinkglas durch den Raum und h?rte, wie die Kinder in ihrem Zimmer zu weinen anfingen.

W?hrend mich Jodie hinaus in die kalte Nacht führte, drückte sie mir entschieden mit einer flachen Hand ins Kreuz. Ich taumelte wie im Fieber voran. Sie sagte mir zwar einige Dinge ins Ohr, doch davon ist mir nichts im Ged?chtnis geblieben, wohl weil ich auch gar nicht zugeh?rt habe. Genauso wenig wei? ich noch von der Rückfahrt zu unserem Appartement.

Die beiden folgenden Wochen verlebte ich in einem absoluten Tief. Wie besessen dachte ich über Kyle nach und ?chzte sprichw?rtlich unter der Bürde meiner Schuld. Im Wahn eines frisch vom Teufel Gerittenen kritzelte ich weitere Bl?cke voll und rauchte wie ein Schlot. Ferner wechselte ich die Kleidung nicht mehr, obwohl anders als zu meiner Zeit auf dem College niemand darauf gekommen w?re, mir deshalb Künstlerdünkel anzudichten.

Mein schlechtes Gewissen ?hnelte einem Teich, in dem ich zu ertrinken drohte … allerdings beschw?rt diese Vorstellung auch Szenen von flatternden Armen und Hilferufen herauf. Aber nicht ich. Ich ertrank in meinem Kummer mit grotesker Zustimmung, wie ein Kapit?n eines Schiffes, der aus Verpflichtung zum Meeresboden sinkt, angetrieben durch die Opferbereitschaft und das Engagement dem Schiff gegenüber, das ihn hinabzieht.

Eine Art Fieber überkam mich – ich lie? es geschehen – und fesselte mich mehrere Tage ans Bett, in denen ich mit trüben Augen dahind?mmerte, spirituell zumindest, beziehungsweise hin-und hergerissen wie ein Gestrüpp im Wind. Ich befürchtete, Jodie werde mich verlassen. Sie tat es nicht, aber meine Depression lie? sie nicht unberührt. Zwei Wochen sp?ter, als ich wieder halbwegs bei Trost war, fühlten wir uns beide ersch?pft wie durch eine nicht diagnostizierte Krankheit.

Ich sollte erst viel, viel sp?ter wieder mit Adam Kontakt aufnehmen, lange nachdem Jodie und ich über den Atlantik geflogen und in die Londoner Nordstadt gezogen waren.

Ein Kommen und Gehen …





Kapitel 6




Vage, aber von jetzt auf gleich vernahm ich ein durchdringendes Ger?usch, bevor sich das helle Tageslicht wie ein spitzer Dolch in meine Lider bohrte. Ich st?hnte und w?lzte mich hinüber auf Jodies Seite des Bettes, welche kalt war, aufgrund ihrer Abwesenheit.

?Du musst mir erkl?ren?, h?rte ich ihre Stimme, wie aus einem ?therischen Strudel, ?wie das passieren konnte …?

Ein reumütiger Teil meines Ichs befand sich nicht im Bett in unserem neuen Haus, sondern schwebte frei in der Luft über einem funkelnden Gew?sser. Die Nacht war hereingebrochen, das Mondlicht sprühte Funken auf dem schwarzen See, als sei er statisch aufgeladen. Gefangen in diesem winterlichen Standbild hielt ich den Atem an und wartete auf den Sturz ins kalte Nass, zu dem es nicht kam. Jodies Stimme war die einer entleibten Gottheit, zerrte mich gewaltsam in die Wirklichkeit zurück.

Widerwillig ?ffnete ich ein Auge. Zuckte zusammen, da die Sonne durch die halb zurückgezogenen Vorh?nge schien. Jodie stand am Fu? des Bettes und hielt meine Schlafanzughose hoch.

?Morgen?, brummte ich.

?Du hast bestimmt eine brillante Erkl?rung hierfür.? Sie schüttelte das Kleidungsstück mit beiden H?nden. ?Ist klitschnass, genauso wie der Teppich unten im Flur. Wie das??

?Muss einen feuchten Traum gehabt haben.? Ich hievte meine Beine von der Matratze auf den Boden, wobei sich die H?rchen auf meiner nackten Haut vor K?lte aufrichteten.

?Urkomisch. Deine Schuhe stehen halb vereist vor der Haustür.? Sie knüllte die Hose zusammen und steckte sie in den W?schekorb. ?Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten, du h?ttest an einem Hundeschlittenrennen teilgenommen, bevor du zu Bett gegangen bist.?

Auf einen Schlag fiel mir wieder ein, wie ich aus dem Haus geschlichen und hinunter an den zugefrorenen See gegangen war. W?re die klamme Schlafanzughose nicht gewesen, h?tte ich es als au?erordentlich lebhaften Traum abgetan. Bei Tag nun musste ich nüchtern feststellen, wie leichtsinnig ich mich in der Nacht verhalten hatte. ?Wie sp?t ist es??, fragte ich und rieb mir die Augen.

?Mittag.?

?Warum hast du mich nicht früher geweckt??

?Ich habe es vor etwa einer Stunde versucht, aber nichts zu machen.? Sie verschwand in dem begehbaren Schrank, um nur einen Moment sp?ter mit einer Ladung Kleider auf dem Arm herauszukommen. Sie warf sie auf das Bett. ?Würdest du den Schreibtisch in das leere Zimmer bringen?? Die Packer waren nicht sicher, wo sie ihn hinstellen sollten, und haben ihn im oberen Flur gelassen. ?Wenn du Zeit findest, kannst du auch die Kartons im Keller ausr?umen. Schaut alles so nach Umzug aus.?

Ich seufzte. ?Liegt daran, dass wir umgezogen sind.?

?Hilfst du mir mal hiermit?? Sie nahm eine Bluse vom Stapel, trug sie hinüber und legte sie über die Scheibe aus Facettglas neben der Schlafzimmertür. Ich sah zu, wie sie ihr Shirt aus-und das frische Teil anzog. Ihr dunkles Haar war nach hinten gek?mmt und mit einer Spange fixiert und sie hatte sich geschminkt.

?Wo gehst du hin??

?Zum College wegen der Anrechnungspunkte, die noch ausstehen.?

Einzig aus diesem Grund hatte Jodie gez?gert, als es um den Umzug aus London zurück in die Staaten gegangen war. Sie stand kurz vor dem Doktortitel in Psychologie. Im Frühjahrssemester sollte es so weit sein, und sie schrieb gerade ihre Arbeit fertig. Das Letzte, was sie wollte, war Punkte verlieren, weil sie ihren Standort wechselte.

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