Aschenpummel (German Edition)(55)



Die nette Dame von der Kassa erwiderte: »Lampe? Das ist eine Schei-den-son-de. Für’n Orgasmus. Aber Sie haben mir ja g’sagt, Sie brauchens, weil’s ein Kind ’kriegt haben.«

»Was?«, rief ich. Dann wieder zum Piraten gewandt, im Flüsterton: »Ich glaube, die Frau ist komplett … Sie wissen schon. Naja, ich will ihr keine Umstände machen.« Ich ging zur Kassa und sagte laut: »Ich will Ihnen keine Umstände machen, aber die Glühbirne brauche ich nicht.« Etwas leiser fügte ich hinzu: »Ich bekomme doch mein Geld zurück, oder?« Ich legte die Schachtel ins Regal zurück, wartete, bis die genervte Kassiererin mir die neunundneunzig Euro zurückgegeben hatte, und marschierte dann zum Piraten zurück. Hocherhobenen Hauptes. Knallrot, das spürte ich, aber zumindest hocherhobenen Hauptes.

»Geht’s Ihnen gut?«, fragte ich ihn. »Schöner Tag heute, nicht wahr? So heiß. Ein langer Sommer. Ich mag den Sommer. Schön heiß. Wie geht es Ihnen?«

Er nickte, streifte mich dabei kurz mit dem Blick und sah dann schnell weg. Seltsamer Mann. Schweigend gingen wir die paar Meter bis zum Libri Liberi. Er machte den Mund auf, doch dann schloss er ihn wieder und nickte mir nur zum Abschied zu. Das war zu wenig.

»Herr Nemeth«, krächzte ich und hörte mich an wie ein sterbender Rabe, »Herr Nemeth, es bleibt doch bei Samstag, oder?«

Er nickte ein letztes Mal, dann verschwand er in seinem Laden.

Am liebsten hätte ich meine Nase an seine Fensterscheibe gedrückt und wäre den ganzen Tag so geblieben, bei ihm. Aber das ging natürlich nicht. Ich drehte mich zur anderen Straßenseite, wollte zu Batman hinüber, doch neben ihm stand Herr Wagenleithner und rauchte. Ich hob die Hand und winkte Batman zu. Herr Wagenleithner hob die Hand und zeigte mir den Mittelfinger. Mir blieb der Mund offen stehen. Das war heute echt nicht mein Tag.

»Deine Freundin war schon wieder da.«

Immerhin sprach Be-De wieder mit mir. Ich freute mich so sehr darüber, dass ich großmütig sagte: »Tut mir leid wegen gestern. Das war alles nicht so gemeint.«

Be-De seufzte großmütig. »Entschuldigung angenommen.«

Zufrieden verzog mich nach hinten, um mich umzuziehen. Be-De kam hinter mir her. »Was will die eigentlich von dir?«

Ich drehte das Wasser auf und zuckte mit den Schultern.

»Na komm, heute ist schon der dritte Tag, an dem die sich hier herumtreibt.«

»Bonnie-Denise, könntest du mich kurz alleine lassen, damit ich mich umziehen kann?«

Diesmal war der Seufzer noch lauter. »Aber beeil dich, Nancy kommt um elf vorbei.«

Ooooh, das war gut, das war sogar sehr gut.

Normalerweise war es natürlich schlecht, wenn Nancy kam. Nancy war frustriert, unfreundlich und zog das einzige bisschen Befriedigung in ihrem Leben aus der Meckerei. Wobei, wahrscheinlich nicht mal daraus.

Sie war Ende dreißig und so dünn, dass ich an ihrer Stelle immer glücklich gewesen wäre. Sie hatte zwei Ex-Männer und einen zukünftigen Ex, und drei Kinder aus der allerersten Ehe, die jedoch nicht bei ihr wohnten, sondern bei ihrem ersten Ex-Mann. Gott sei Dank, sagte Nancy, Gott sei Dank wohnten sie nicht bei ihr, und Gott sei Dank Ex.

»Wieso wird hier nicht verkauft?«, war ihre erste Frage, als sie um Punkt elf hereinkam. »Was ist das überhaupt für ein Laden, in dem die Chefin und zwei Angestellte stehen, aber kein einziger Kunde? Was seid ihr für Verkäuferinnen?«

Das Schöne war, Be-De und ich konnten reagieren, wie wir wollten. Uns rechtfertigen, Däumchen drehen oder auch Nancy die Zunge herausstrecken. Sie würde uns sowieso nicht feuern. Das ist der Vorteil, wenn man für zu wenig Geld arbeitet. Nancy wusste, dass unsere Nachfolger um nichts besser sein würden als wir.

Interessanterweise hatten sowohl Be-De als auch ich dennoch immer das Bedürfnis, uns zu rechtfertigen. Wir machten keine schlechte Arbeit. Wenn ein Kunde hereinkam, wurde er freundlich und gut bedient, mehr konnte man von uns nicht verlangen.

»Es ist der lange Sommer«, sagte Be-De und wackelte mit ihrem Pferdeschwanz. »Sommerschuhe kaufen die Leute Anfang September nicht mehr, da wären sie ja verrückt. Und für Herbstschuhe ist es zu heiß. Bei achtundzwanzig Grad haben die Leute anderes zu tun, als an die kalte Jahreszeit zu denken.«

»Und was ist Ihre Ausrede, Teddy?« Nancy zog die Mundwinkel bis runter auf die Schultern, und ich dachte bei mir, was sie doch für einen wunderbaren traurigen Clown abgeben würde.

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