Aschenpummel (German Edition)(53)



Ich nicke verständnisvoll und blicke ihm nach. Wie ein großer Junge steht er zwischen den anderen Männern und erfreut sich an den vier wogenden Brüsten. Ich drehe mich um, erhasche gerade noch einen Blick auf den Rücken des Piraten. Er geht. Ich laufe ihm nach. »Pirat«, sage ich. Er schluchzt auf. Die einzige Frau in seinem Leben, die einzige, die ihm je etwas bedeutet hat, hat einen anderen geheiratet.

»Ich liebe dich trotzdem«, stoße ich hervor.

Er dreht sich um, stürzt auf mich zu. »Oh, Teddy, Teddy, ich liebe dich. Ich liebe dich so unendlich, dass ich auf der Stelle mein Leben für dich geben würde. Oh komm mit mir, ich brauche dich –«

Wir küssen uns, wir drücken uns aneinander, unsere Hände sind überall, während der Zahnarzt sich im Schlamm von Tissi und Vanessa trösten lässt. Die Menge jubelt erneut.


Sechs Uhr dreißig. Der Wecker läutete. »Verdammt«, schnauzte ich. »Brüll nicht so, ich bin eh wach.«

Es kostete mich einige Überwindung, mein Trainingsprogramm zu starten. Der Abführmittelverschleiß vom Vortag machte mir zu schaffen – was Gisela wohl dazu sagen würde? Das wollte ich lieber nicht rausfinden.

Missmutig stand ich unter der Dusche, wo ich mir, wie am Morgen zuvor, beinahe den Tod holte. Dieses Heiß – Kalt kann doch für das Herz nicht gesund sein, oder? Meins jedenfalls fühlte sich an, als stünde es kurz vor dem Kollaps.

Ich muss gestehen, dass ich am zweiten Intensivtag generell deutlich unmotivierter war. Der Lauf zum Hallenbad war eher ein Spaziergang, was den entschiedenen Vorteil hatte, dass ich zwanzig Minuten später ankam als geplant und dementsprechend leider, leider Gottes das Wassertreten sausen lassen musste. Und nachdem ich davon ausging, dass ich in dieser konditionell schlechteren Verfassung auch länger zur Arbeit brauchen würde, verkürzte ich meine Schwimmzeit vorausschauend gleich mal um zwei Drittel. Den Multivitaminsaft trank ich trotzdem. Außerdem einen Cappuccino vom Automaten in der Eingangshalle. Ich musste mich ja irgendwie fit bekommen.

Keine Ahnung, warum, aber irgendwie klappte es auch an diesem Tag nicht mit der Sauna.

Auf dem Weg zur Arbeit, den ich brav zu Fuß bestritt, wälzte ich ein schwerwiegendes Problem. Der Zahnarzt und Vanessa.

Sie nannte ihn »sehr vertrauenswürdig«, war angeblich aber nicht an ihm als Mann interessiert. Er wiederum machte mir Avancen, mehr als je ein Mann zuvor. Wunderbar glatt, wie das alles lief, und schrecklich nett, wie beide zu mir waren. Sollten meine Alarmglocken schrillen?

Sie hatte im Schuh-Bi rumgeschnüffelt, er hatte sich nach Hans’ Schatz erkundigt. Bonnie und Clyde. Oh ja, meine Alarmglocken sollten schrillen. Sie taten es auch, doch ich gebot ihnen Einhalt.

Du darfst nicht allen Menschen gleich das Schlechteste unterstellen, Teddy. Vielleicht bist du diejenige, die spinnt und die böse veranlagt ist, schließlich bist du es ja auch, die auf diese ganzen dummen Gedanken kommt. Lebe endlich, Teddy! Lebe und genieße!

Du metamorphierst gerade, das ist es. Und von einer Pfingstrose Duft naschen nun mal alle gern. Wow, von allen schlechten Sprüchen, die ich je gemacht hatte, war das wohl der schlechteste.

Ich bog in die Sieveringer Straße ein und schlich lustlos die Häuser entlang, bis mir einfiel, dass ich einen Abstecher in den Drogeriemarkt machen könnte. Um mir eine verwöhnende Bodylotion zuzulegen.

Ich hatte mir immer schon gerne die ganzen Kosmetikartikel angesehen, aber um ehrlich zu sein, gönnte ich mir nie was davon. Auf die Idee wäre ich bisher gar nicht gekommen.

Ich roch mich durch sämtliche Lotionen. Arbeitete mich von den billigen hoch bis zu den teuren und weiter zu den unerschwinglichen.

»Kaufen Sie auch eine?«, fragte eine Regalbetreuerin leicht genervt.

»Natürlich«, rief ich ertappt, behielt die teuerste Flasche von allen in der Hand und trat die Flucht an. Bei den Duschbädern angekommen, ärgerte ich mich über meine Eilfertigkeit. Ich machte kehrt und marschierte die drei Schritte zurück zu den Bodylotions. Die Verkäuferin hob die Augenbrauen.

»Ich muss doch wissen, wie die riecht, bevor ich sie kaufe, oder?«, fragte ich aufmüpfig. Sie fand das keiner Antwort wert und ging in den nächsten Gang. Unbefriedigend, ich hätte gerne noch ein bisschen mehr gestänkert. So unbefriedigend, dass ich mir ein paar weitere Produkte gönnen musste. Ich suchte das Regal ab. Gegen Cellulite stand groß auf einer goldenen Packung. Sichtbares Ergebnis bereits nach vierzehn Tagen. Ich schnaubte und begann mich durch sämtliche Anti-Cellulite-Produkte zu wühlen. Ergebnis nach zehn Tagen. Ergebnis nach drei Wochen. Ergebnis nach fünf Tagen. Was Schnelleres gab es nicht. Ich schnappte mir die Flasche und las mir die Beschreibung an der Seite durch.

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