Aschenpummel (German Edition)(51)
»Hintergedanken in Bezug auf … mich?«, stotterte ich. Und fügte hinzu: »Was für welche denn?« Sosehr ich den Piraten auch liebte, war es verwerflich, dass ich mich ein einziges Mal in meinem Leben als Sexobjekt fühlen wollte? Natürlich hatte ich nicht vor mitzumachen – ich war schließlich die Braut des Piraten –, aber an diesem Abend im Auto wollte ich um jeden Preis, dass der Zahnarzt mich wollte.
»Ach, Teddy«, antwortete er, »wissen Sie denn nicht, dass ein hartes Wort aus Ihrem Mund mich mehr verletzt, als eine Waffe es jemals könnte?«
Ich musste die Lippen zusammenpressen, um mich daran zu hindern, irgendeinen Unsinn daherzuplappern. Wen interessierte es schon, was der Zahnarzt tatsächlich von mir wollte? Das was er sagte, war so romantisch, dass ich mir vorkam wie Jane Eyre an der Stelle, wo Mr. Rochester sich ihr endlich offenbarte.
»Es tut mir leid«, flüsterte ich, »ich wollte Sie nicht verletzen.«
Er nahm meine Hand und zog sie an seine Lippen. Er hielt den Blick auf mein Gesicht gerichtet, als er einen Kuss auf meine Handinnenfläche gab. Ja richtig, die Handinnenfläche! Das hatte nichts mehr mit Galanterie zu tun, das war … Sex. Mehr Sex als Mr. Rochester auf fünfhundertfünfzig Seiten zustande brachte. Und diese nussblonde Ausgabe von Traummann sah mich immer noch an. Ich musste etwas tun!
Ich grinste. Von einem Ohr zum anderen. Gar nicht mehr aufhören konnte ich. Ich grinste so lange, bis ich Gefahr lief zu heulen. Da endlich ließ der Zahnarzt meine Hand los. »Jetzt wollen wir die Plätze tauschen, hmm?«
»Mmhm«, machte ich und stolperte aus dem Wagen. Shiti, Shiti, Shiti, was war das nur, was sollte ich tun, wie sollte ich das hier überleben, war ich verliebt? Ja, in den Piraten natürlich! Aber der Zahnarzt, war er? War er in mich –? Shitiiiiiiiiii…
Als ich mich auf den Fahrersitz sinken ließ, musste ich schon wieder grinsen. Shit, verfluchter, hör doch endlich auf damit!
»Haben Sie sich gemerkt, was ich Ihnen über die Gangschaltung erzählt habe?«
»Mmhm.«
»Dann bitte den linken Fuß auf die Kupplung, den rechten auf die Bremse, den ersten Gang einlegen – nein, nein, nicht so, mit Gefüüühl, mit Gefüüühl … machen wir es gemeinsam … jaaa, spüren Sie meine Hand? Jaaa, so ist es gut, jaaa …«
Ich würgte das Auto vierzehn Mal hintereinander ab. Danach nahm der Zahnarzt die Hand von meiner und meinte, es wäre wohl besser, morgen weiterzumachen. Ich war derselben Meinung.
Er brachte mich nach Hause. Ich bemühte mich, geradeaus durch die Windschutzscheibe zu schauen, doch in Wirklichkeit schielte ich dauernd nach links. Sein Gesicht war so entschlossen, alles an ihm drückte Manneskraft und Selbstvertrauen aus. Er sah so völlig anders aus als der Pirat.
Vielleicht würden sich zehn von zehn Frauen für den Zahnarzt entscheiden, ich jedoch war die Elfte. Für mich war der Zahnarzt der Spatz und der Pirat die Taube oder so ähnlich. Als mir klar wurde, dass die dicke, ungeschickte Teddy Kis den schönen, begehrten Hubertus Strohmann gerade als »Spatz in der Hand« bezeichnet hatte, musste ich nach Luft schnappen. Ich lehnte den Kopf aus dem Fenster, hatte jedoch vergessen, das Fenster zu öffnen. Ich erschrak selbst über das laute »Klong«.
»Haben Sie sich was getan, Teddy?«
Ich spürte seine Hand auf meinem Knie. Ich schüttelte den Kopf, und die Hand fing an zu kneten. Da bekam ich es doch mit der Angst zu tun. Was wenn er sich jetzt wirklich auf mich stürzte? Ich konnte doch nicht – der Pirat … Seine Hand knetete weiter. Vielleicht stand er einfach auf Fett. Es gab doch solche Männer, oder? Die mästeten ihre dicken Frauen, damit sie noch dicker wurden und noch mehr zum Greifen da war. Ja, bestimmt war es so.
Und ich war dafür natürlich eine hervorragende Kandidatin. Erstens war ich von Natur aus dicklich, und zweitens erkannte doch ein Blinder, wie leicht ich zu beeinflussen war. Ein Mann wie der Doktor brauchte doch nur mit dem Finger zu schnippen und »friss« zu sagen, schon würde ich die Nusstorte in mich reinstopfen. Und noch ein Stück und noch ein Stück, Gott, ich war so hungrig, ich könnte in einer Torte baden. Und danach ein ganzes Wildschwein essen, so wie Obelix es am Schluss immer tat, das hatte ich schon immer gewollt. Ein goldbraun gegrilltes Wildschwein … in meinem Bauch gurgelte es.
Ich wurde stocksteif.
»Was war denn das?«, fragte der Zahnarzt und nahm die Hand von meinem Knie.