Aschenpummel (German Edition)(70)



Prima! Das war es ja, was ich gewollt hatte. Ich bekam das Auto, und aus war es mit den nervigen Avancen vom Zahnarzt. Na super, dann konnte ich ja zufrieden sein. Alles hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst.

Natürlich konnte ich trotzdem nicht lockerlassen.

»Gefalle ich Ihnen nicht mehr?«, fragte ich zaghaft und machte mich im Geheimen darauf gefasst, dass er mich auslachen und sagen würde, dass ich ihm doch bitte nie gefallen hätte.

»Teddy, ich bin einfach zur Vernunft gekommen und, ach, reden wir nicht mehr davon.«

»Vernunft ist blöd!«, rief ich empört. Ich wollte ihn nicht vernünftig, ich wollte ihn als Mr. Rochester. Ich wollte doch heute sein Herz brechen.

»Ich fahre Sie jetzt nach Hause, Teddy. Das Auto bleibt dann gleich bei Ihnen.«

Wir tauschten die Plätze, und er fuhr mich nach Hause. Mein Herz begann schneller zu klopfen, als er in der Seitengasse parkte. Doch er machte keinerlei Anstalten, unsittlich zu werden, also hatte der versteckte Parkplatz wohl nur den einen Zweck, meiner Mutter auszuweichen.

»Ich werde jetzt aussteigen«, erklärte er. »Wegen der Formalitäten werde ich nächste Woche Fräulein Hoffmann zu Ihnen ins Geschäft schicken, dann können Sie die Ummeldung vornehmen.«

Mir kam ein Gedanke. »Hat Vanessa, also das Fräulein Hoffmann, irgendetwas über mich gesagt, sind Sie deshalb böse auf mich?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, niemand hat etwas gesagt. Ich habe lediglich für mich entschieden, dass ich so nicht weitermachen kann.«

»Wie? Wie denn weitermachen? Oder nicht weitermachen? Womit?«

»Ich steige jetzt aus«, wiederholte er und hatte die Hand schon auf dem Türgriff. Nein! Ich konnte doch nicht zulassen, dass mein größter, mein einziger Verehrer plötzlich aus meinem Leben verschwand und ich mich fühlen musste, als wäre ich verlassen worden, dabei hatte doch ich ihn verlassen wollen.

»Nein!«, rief ich. »Bitte nicht!« Pack ihn bei seiner Eitelkeit, Teddy!

»Hubertus, ich bin noch Jungfrau.«

Sein Kopf schoss herum, endlich sah er mich an.

Ich schluckte und fuhr fort: »Und ich glaube, dass ich mich immer nur für Sie aufgehoben habe.«

»Ist das Ihr Ernst?«

Natürlich nicht, aber ich nickte. Und hoffte, dass er mir gleich eine Liebeserklärung machen würde, woraufhin ich ihm dann sanft und charmant einen Korb geben konnte. Auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wie ich das begründen könnte, wo ich ihn doch soeben geradezu angefleht hatte, mich zu entjungfern.

In der nächsten Sekunde lag sein Kopf auf meiner Brust beziehungsweise auf dem Miss Bombastic und so weiter.

Und dann begann er, heiße Küsse auf mein Zitronenshirt zu verteilen. Oh, oh – so, jetzt war es aber wieder gut, ich hatte gesehen, dass ich ihn noch rumkriegen würde, jetzt konnte er ruhig wieder aufhören. »Ähm, Hubertus …«

Er hob den Kopf und legte seinen Zeigefinger an meine Lippen. »Oh Teddy, sagen Sie jetzt nichts. Kommen Sie mit zu mir!«

»Äh, ähm, meine Mutter wartet auf mich. Leider.«

»Dann morgen Abend. Um acht. Ich wohne direkt über der Praxis. O Teddy, nicht nein sagen. Liebste Teddy, ich brauche Sie doch!«

»Also gut, morgen Abend dann.«

Er nahm mein Gesicht in beide Hände und versprach: »Das wird ein unvergesslicher Abend werden, Teddy.«

Da begann ich mich das erste Mal zu fürchten.


In meiner Wohnung angekommen, ließ ich mich erst mal aufs Sofa fallen. Morgen Abend würde ich den Zahnarzt besuchen. Und wenn ich all die Anzeichen und Anspielungen nicht vollkommen missdeutet hatte, dann wollte der Zahnarzt dort etwas ganz Bestimmtes mit mir machen. Was heißt missdeuten? Was heißt Anzeichen und Anspielungen? Hatte ich selbst nicht gerade zu ihm gesagt, dass ich mich nur für ihn aufgehoben hatte? Was hatte ich nur getan? Gisela hatte mich doch davor gewarnt, ihm falsche Hoffnungen zu machen. »Oh Gott«, stöhnte ich. Das Verlangen, auf der Stelle einen Schokoriegel zu verschlingen, war übermächtig. Doch dann dachte ich an morgen Früh, an mein Date mit dem Piraten. Alles andere musste beiseite geschoben werden. Alles andere war wurscht. Wurscht. Ich packte den Bikini aus, zwängte mich hinein und stellte mich vor den Spiegel. Sah ich lesbisch darin aus?

Vor allem sah ich wie eine Birne darin aus.

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