Aschenpummel (German Edition)(74)



Ich gab mir alle Mühe, mit besonders sportlichen Schwimmstößen zu ihnen zu gelangen. So sportlich wie Brustschwimmen halt ausschauen kann, wenn man den Kopf nicht eintauchen darf.

»Komm, Teddy, tauchen wir!«

»Geht leider nicht, Cheyenne. Die Brille.« Und die Wimperntusche. Und das Rouge. Und der Pickelabdeckstift.

Cheyenne zuckte mit den Schultern und schlug unter Wasser einen Purzelbaum. Hätte ich bloß ihr Selbstbewusstsein.

»Frau Kis«, der Pirat räusperte sich.

»Ja?«

Wieder ein Räuspern. »Nun ja, ich wollte nur sagen, dass ich es sehr schön finde, dass Sie heute gekommen sind. Ich habe Sie ja die ganze Woche nicht gesehen.«

Ich wollte ja kommen, ich wollte. Wie gern hätte ich das zu ihm gesagt. Und ihn in den Arm genommen. Und all die Menschen um uns herum woandershin verbannt. Zu Cheyenne unters Wasser.

»Ich, ähm, ich habe ein neues Auto bekommen und musste jetzt das Fahren mit Gangschaltung üben. Der Zahnarzt, kennen Sie ihn? Dr. Strohmann, er hat mir die ganze Woche Fahrstunden gegeben.«

»Ich verstehe.«

»Haben Sie einen Führerschein, Herr Nemeth?«

Der Pirat schüttelte den Kopf. »Dazu habe ich mir wohl nie die Zeit genommen.«

Cheyenne tauchte zwischen meinen Beinen durch, ich hielt meine Badehose fest. »Gisela hat mir erzählt, dass Sie mit ihr zusammen studiert haben.«

Jetzt nickte er.

Himmelschimmel, dass man ihm alles so aus der Nase ziehen musste! »Was haben Sie denn studiert, Herr Nemeth?«

»Nichts so richtig, fürchte ich. Anfangs Geschichte und Politikwissenschaften. Dann habe ich es mit Philosophie und Sinologie versucht. Und mit Ethnologie. Und dann mit Veterinärmedizin.«

»Oh. Das ist aber viel.«

»Alles nur sehr kurz. Ich habe nicht viel Bildung an der Universität erlangt.«

»Ich auch nicht«, versuchte ich einen Scherz, haha, ich war ja nie auf der Uni gewesen.

Doch er nickte nur. In dem Moment zog Cheyenne ihm die Badehose runter. Und wieder war ich es, die kreischte. Und hektisch war. Und sich anschließend intensiv nach jemandem außerhalb des Beckens umsah. So lange, bis Cheyenne mir mitteilte, dass wir drei jetzt auf ein Eis gingen.

Außerhalb des Wassers taten sich folgende drei Probleme auf:

Erstens: Cheyenne bibberte wie Espenlaub, ich musste ihr natürlich mein Handtuch abtreten.

Zweitens: Mein Bikini hatte im Wasser völlig die Form verloren, was eigentlich nicht sein konnte und was dem Altweiberladen mächtig Ärger bescheren würde, aber im Moment war ich ein Walross, an dem oben und unten ein paar Algen hingen. Zu allem Unglück schien der Pirat, dieser Galant, sich in die absurde Vorstellung verbissen zu haben, dass er als Mann hinter uns Damen zu gehen hatte.

Drittens: mein Tampon. Das Chlorwasser musste ihn dermaßen aufgepumpt haben, dass er drückte und nach unten zog, und ich war mir sicher, dass er nicht mehr lange an Ort und Stelle bleiben würde.

»Ich müsste mal dringend …«

»Sie sind natürlich eingeladen, Frau Kis. Welches Eis haben Sie denn gern?«

»Ich, ähm, Magnum Double Caramel, aber ich müsste nur schnell …«

»Was hast du denn, Teddy?«

»Cheyenne, musst du nicht vielleicht aufs Klo vor dem Eis? Nein?«

»Nööö.«

»Okay dann … Ich bin gleich wieder da. Geht ruhig schon ohne mich.«

Den Blick auf die beiden gerichtet, eilte ich im Rückwärtsgang zu den Toiletten, die linke Hand auf meinem Oberschenkelschamhaar. Dabei trat ich einem Kleinkind auf den Fuß, doch ich hatte Glück, der Pirat hatte es nicht gesehen.

Im Klo genügte ein minimales Drücken, um den Tampon in die Muschel zu befördern.

So, und jetzt? Ich saß ohne Tampon im Schwimmbad fest. Und meine Badehose sah aus wie ein Stück Lauch. Keinesfalls geeignet, um größere Blutstürze aufzufangen. Und draußen warteten der Pirat und Cheyenne auf mich. Mit einem Magnum Double Caramel. Jede Sekunde, die ich verpasste, war eine zu viel.

Ich riss ein paar Blätter von dem grauen einlagigen Klopapier ab, faltete sie zweimal und drehte das Ganze zu einer Rolle. Egal, ob es was bringen würde, allein dass das Reinschieben klappte, musste wohl schon als Erfolg verbucht werden. Das Gehen damit tat ein bisschen weh, doch wenigstens hatte ich dadurch die ständige Gewissheit, dass sich die Rolle noch am rechten Platz befand. Auf Zehenspitzen trippelte ich zu unserem Platz. Cheyenne und der Pirat aßen beide ein buntes Wassereis. Mein Magnum sah daneben etwas protzig aus.

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