Aschenpummel (German Edition)(62)



Im Vorraum stand ein nackter Mann, der mich gelangweilt musterte.

Gut, du Idiot, dann bin ich eben nicht dein Typ. Du bist übrigens auch nicht meiner! Wütend riss ich mir das Handtuch runter und knallte es auf den Boden. Den Badeanzug behielt ich noch an.

Der Mann sah mich weiter an, sein Gesicht strahlte nichts als Lethargie aus. Ich musste an den Hund aus Mein Name ist Drops denken. Dieser Mann war Drops.

Und weil Punkt 4 auf meiner To-do-Liste lautete: Lass dich nie wieder runtermachen, beschloss ich, dem gelangweilten Drops zu zeigen, dass ich gefälligst mehr verdient hatte als den toten Blick.

Ich stand keinen halben Meter von ihm entfernt, starrte ihm fest in die Augen und begann, die Träger von meinem Badeanzug runterzurollen. Der Mann zeigte keine Regung.

Ich holte Luft und zog den Stoff runter bis zum Bauchnabel. Zweimal bare Körbchengröße A, und noch immer zeigte der Mann keine Regung.

Da zog ich den Badeanzug runter bis zu den Knien, richtete mich trotzig wieder auf und blickte ihn triumphierend an.

Da sprach Drops: »Sie wissen schon, dass donnerstags um neun nur Männer reingelassen werden, oder?«

Ich spürte den nassen Badeanzug an meinen Waden und antwortete: »Nein, das wusste ich nicht. Na dann –«

Ich zerrte an dem klebrigen Stoff und hatte nichts anderes im Sinn, als meinen Körper so schnell wie möglich in seine schützende Hülle zu stecken, da sprach Drops weiter: »Wegen mir ist es ja nicht. Wegen mir können wir schon auch zusammen in die Sauna gehen.«

Und endlich, endlich streifte sein Blick meine bloße Brust. Am liebsten hätte ich ihn geküsst.

»Oh danke, danke«, rief ich aus. »Vielen Dank, dass Sie so nett sind, aber es geht schon, es geht schon!«

Ich schlüpfte in die Träger, winkte dem wunderbaren Drops zu und lief glücklich zu den Umkleidekabinen.

Endlich mal hatte mich ein Mann nackt gesehen. Und er wäre mit mir in die Sauna gegangen. Ich war begehrt.


Summend machte ich mich auf den Weg ins Schuh-Bi. Mein Handy läutete. Vanessa stand auf dem Display.

»Hallo?«, sagte ich, genauso wie der Pirat sich immer am Telefon meldete.

»Hallo, Teddy, wie geht es dir?«

»Gut. Ich war gerade schwimmen«, konnte ich nicht umhin, ein bisschen anzugeben.

»Oh, so früh schon, sehr brav.«

»Gell«, stimmte ich stolz zu. »Und jetzt wollte unbedingt noch ein Mann mit mir in die Sauna, dabei ist die donnerstags um neun nur für Männer. Naja, ich hab eh abgelehnt.«

»Du bringst die Männer ja reihenweise um den Verstand, Teddy.«

»Ich weiß«, rief ich und schaffte es – glaube ich – ganz gut, ein bisschen bescheiden dabei zu klingen.

»Und willst du auch wissen, wie es mir geht, Teddy?«

Auf der Stelle hatte ich Gewissensbisse. »Ja, ja, natürlich will ich das wissen. Also wie geht’s dir?«

Sie seufzte erst tief, dann sagte sie: »Viel, viel besser heute. Das Gespräch mit dir gestern hat mir sehr gut getan. Ich habe beschlossen, eine Therapie zu machen.«

»Wow, das freut mich sehr«, sagte ich.

»Nächsten Dienstag bin ich das erste Mal dort. Um neun. Teddy?«

»Ja?«

»Begleitest du mich dahin und setzt dich ins Wartezimmer mit mir?«

Ich stolperte beinahe über meine Füße, so abrupt war ich stehengeblieben. »Ja, natürlich!«, rief ich. Dann hielt ich die Luft an. Die nächsten Worte, die Vanessa sagte, würden alles entscheiden. Ich kniff die Augen zusammen, wartete. Wartete darauf, ob sie mich bitten würde, an besagtem Dienstagmorgen Schuhe mitzunehmen. Oder sonst irgendetwas in der Art. Irgendwas mit Schuhen jedenfalls, das mir klar und deutlich zeigen würde, dass sie mich nur ausnutzte.

Vanessa sagte: »Danke, Teddy.«

Das war alles. Wir verabschiedeten uns voneinander und ich küsste vor Erleichterung mein Handy.

Begehrt zu werden, erst von einem Mann in der Sauna und dann von einer Freundin am Telefon, konnte jemanden, der das nicht gewohnt war, ganz schön schaffen. In der Sieveringer Straße angekommen, schleppte ich mich zu Batman und ließ mich neben ihn auf die Knie fallen. Er drehte sich auf den Rücken und sah mich treuherzig an.

»Jetzt kann sie noch immer nicht den Hund in Ruhe lassen!«

Ich fuhr zusammen. Die Ader auf der Stirn des Herrn Wagenleithner hatte den Durchmesser eines Gartenschlauchs.

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