Save You (Maxton Hall, #2)(85)
?Irre, dass ihr euch alle schon so lange kennt?, sage ich mit Bewunderung in der Stimme.
?Ja, oder? Manchmal kommt es mir so vor, als w?ren wir alle Geschwister.?
Ich nicke und schaue ein Bild von einem pausb?ckigen Alistair an, dessen goldblonde Locken nach allen Seiten abstehen. Dann wandert mein Blick zu einer kleinen Version von James, der Mini-Wren im Schwitzkasten h?lt.
?Haben du und Wren eigentlich miteinander geredet??, frage ich leise an James gewandt.
?Wir haben über ein paar Dinge gesprochen.? Er z?gert. ?Im Moment ist bei ihm einiges los.?
?Ist es was Schlimmes??, fragt Lydia sofort.
James zuckt mit den Schultern. ?Ich habe ihm versprochen, nichts zu sagen.?
Lydia runzelt besorgt die Stirn. Ich kann sehen, dass sie einige Sekunden lang mit sich k?mpft und eigentlich nachfragen m?chte, doch dann nickt sie nur. ?Alles klar. Aber glaubst du, es ist etwas, was wieder hingebogen werden kann??
James nickt zuversichtlich. ?Wren steht das durch. Schlie?lich hat er uns.?
Lydia und ich wechseln einen skeptischen Blick.
Gleichzeitig empfinde ich Erleichterung darüber, dass der Streit zwischen Wren und James begraben zu sein scheint. Als James und ich in der Nacht meines Geburtstags miteinander telefoniert haben, hat er mir anvertraut, wie wichtig es ihm ist, dieses letzte Jahr an der Schule gemeinsam mit seinen Freunden zu genie?en. Er wollte es unbeschwert verbringen und sich über das, was danach kommt, keine Sorgen machen. Die Unbeschwertheit wurde ihm durch den Tod seiner Mum genommen, aber deshalb ist es umso wichtiger, dass er weiterhin seine Freunde hat, auf die er z?hlen kann. Und andersherum.
Wenig sp?ter verabschiede ich mich von Lydia, und James bringt mich nach Hause. Das hei?t, Percy bringt mich nach Hause, aber James steigt mit in den Rolls-Royce. Wir sind still, w?hrend wir das Grundstück Richtung Gormsey verlassen.
Auch wenn ich es nicht will: Es fühlt sich an, als l?ge die Begegnung mit Mortimer Beaufort wie ein Schatten über uns. Ich habe den Mann dreimal in meinem Leben gesehen, und jedes Mal hat er im Anschluss versucht, einen Keil zwischen James und mich zu treiben. Ich hoffe so sehr, dass James das nicht noch einmal zulassen wird. Dass das, was gerade zwischen uns entsteht, st?rker ist als der Einfluss seines Vaters.
?Woran denkst du??, fragt James pl?tzlich, seine Stimme tief und warm.
Ich sehe auf und begegne seinem türkisblauen Blick. Ein Kribbeln macht sich in meinem Bauch breit.
Ich hole tief Luft. ?Daran, dass ich gern mehr solcher Wochenenden mit dir h?tte.?
James’ Blick gleitet zurück zu meinen Augen und wieder runter, als wüsste er nicht, wie er sich dagegen wehren soll.
?Gleichzeitig frage ich mich …? Ich halte inne.
James wartet und sieht mich weiter an. ?Was fragst du dich??, hakt er nach einer Weile nach.
?Ich frage mich, wie das weitergehen soll. Für dich?, flüstere ich. ?Mit dir und deinem Dad, meine ich. Dass er dir vorschreibt, wie du dein Leben zu führen hast, und du dich von ihm in eine Ecke dr?ngen l?sst, in der du eigentlich nicht sein m?chtest??
James senkt den Blick und starrt den Fu?raum des Rolls-Royce an, als g?be es dort irgendetwas Spannendes zu entdecken. Er holt tief Luft. Noch einmal. Schlie?lich schüttelt er langsam den Kopf.
?Es geht nicht nur um ihn?, f?ngt er nach einer Weile mit kratziger Stimme an. ?An Beaufort h?ngt alles, Ruby. Das ist nicht das Lebenswerk meines Vaters, das ich da übernehmen werde.? Ich schlucke schwer, als er wieder aufblickt und mich direkt ansieht. ?Ich … ich will meine Mum nicht entt?uschen.?
Ich atme scharf ein.
Darüber habe ich nie nachgedacht. Natürlich hat sich mit dem Tod seiner Mutter einiges ge?ndert. Ich habe die ganze Zeit geglaubt, alles würde gut werden, solange James seine Tr?ume verfolgt und nicht die seines Vaters. Doch jetzt realisiere ich, dass es darum gar nicht mehr geht. James ist nicht nur über seinen Vater an Beaufort gebunden. In erster Linie ist es jetzt seine Mutter, die ihn dort h?lt.
?Du wirst deine Mum nicht entt?uschen?, wispere ich.
?Was, wenn doch? Was, wenn ich das nicht hinbekomme?? Ich erkenne in seinen Augen eine Emotion, die ich noch nie zuvor dort gesehen habe: Angst. Sie flackert in seinem Blick und scheint mit einem Mal die ganze Limousine zu erfüllen.
?Ich bin bei dir?, sage ich. Es sind nur vier kleine Worte, aber in dieser Sekunde lege ich alles, was ich geben kann, in diese paar Silben.
James sieht mich lange an. Er scheint zu verstehen, was ich noch alles mit diesen Worten sagen m?chte. Nach und nach verschwindet die blanke Panik aus seinem Blick und wird durch Zuversicht und diese W?rme ersetzt, mit der er mich den ganzen Abend über angesehen hat.
Im n?chsten Moment greift James nach meiner Hand. Er verschr?nkt seine Finger mit meinen und drückt sanft zu.
?Und ich bin bei dir. Egal, was passiert.?
Ich lasse mich zurücksinken und lehne meinen Kopf gegen seine Schulter.
Mein n?chster Atemzug gelingt mir ein wenig leichter.
Wir werden das schaffen.
James
Es ist nach halb zwei, als ein lautes Knallen mich hochschrecken l?sst. Ich springe so schnell auf, dass der E-Reader von meinem Bett rutscht und auf dem Boden landet, aber das ist mir egal. Wie ein Verrückter renne ich über den Flur zu Lydias Zimmer. Doch als ich die Tür aufrei?e, sitzt sie blo? in ihrem Bett und reibt sich die müden Augen.
?Alles okay??, frage ich.
Sie nickt. ?Was war das??
?Dad vermutlich?, gebe ich zurück und spüre, wie mein Puls an Geschwindigkeit zulegt.