Save You (Maxton Hall, #2)(84)



Wie kann man nur so unempf?nglich sein für alles, was um einen herum passiert? So ignorant den eigenen Kindern gegenüber?

Die Lydia, mit der ich mich angefreundet habe, stellt sich jeder Herausforderung. Ich habe das Gefühl, Mr Beaufort kennt seine eigene Tochter nicht, wenn er so von ihr spricht.

?Die Fotos würde ich trotzdem gern sehen?, unterbreche ich die erdrückende Stille schlie?lich in bemüht fr?hlichem Tonfall. ?Ich bin mir sicher, du sahst zauberhaft aus, selbst als kleine Ratte.? Ich musste noch nie als Stimmungsbrücke zwischen mehreren Personen stehen – zumindest nicht so wie jetzt –, und ich habe keine Ahnung, ob es funktioniert oder ich gerade alles nur schlimmer mache. Ich wei? nur, dass ich James und Lydia etwas von ihrer Anspannung nehmen m?chte.

?Ich zeige sie dir nach dem Essen?, erwidert Lydia mit einem gezwungenen L?cheln. Sie hebt den Kopf, und einen Moment lang sieht es so aus, als würde sie ihren Vater anschauen. Doch dann erkenne ich, dass sie an ihm vorbei auf das riesige Familienportrait blickt, das an der Wand über dem alten Kamin h?ngt. Das ?lgem?lde zeigt die ganze Familie Beaufort, auch Mrs Beaufort mit ihren fuchsroten Haaren. Als es gemalt wurde, waren James und Lydia vielleicht sechs, maximal sieben Jahre alt.

?Nun?, sagt Mr Beaufort pl?tzlich, tupft sich den Mund mit der Stoffserviette ab und steht auf. ?Ich habe heute noch eine Telefonkonferenz. Guten Abend.? Er nickt uns zu, dann verl?sst er den Raum.

Fassungslos sehe ich zwischen James und Lydia hin und her, doch die beiden scheint der j?he Abgang ihres Dads nicht sonderlich überrascht zu haben.

?Er ist einfach gegangen?, flüstere ich und werfe einen Blick über die Schulter zur Tür, durch die Mr Beaufort gerade verschwunden ist.

?Das ist normal, mach dir keine Gedanken?, erkl?rt Lydia und lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück. Mit einem L?cheln streichelt sie ihren Bauch. Dass sie das in unserer Gegenwart, ohne nachzudenken, tun kann, erfüllt mich mit einer W?rme, die mir nach den eisigen Blicken von Mr Beaufort sehr willkommen ist.

?Er findet immer eine Ausrede, um unangenehmen Situationen irgendwie wieder zu entkommen?, merkt James an und nimmt einen gro?en Schluck aus seinem Wasserglas. ?Auch wenn er uns ursprünglich überhaupt erst dazu gezwungen hat. Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn l?nger als zwei Stunden am Stück gesehen zu haben.? Er schnaubt. ?Nicht, dass ich darüber unglücklich w?re.?

?Ich bezweifle, dass er überhaupt eine Konferenz hat. Mum h?tte das nie erlaubt?, murmelt Lydia.

James h?lt die Luft an. Nach einem Moment l?sst er sie h?rbar entweichen. ?Wenn du m?chtest, bist du hiermit erl?st?, sagt er und sieht mich von der Seite an.

Ich runzle die Stirn. ?Was meinst du??

?Wir k?nnen diesen deprimierenden Abend an dieser Stelle beenden und ihn n?chste Woche nachholen.?

Lydia nickt. ?Ja, es nimmt dir niemand übel, wenn du lieber gehen m?chtest.?

Emp?rt sehe ich zwischen den beiden hin und her. ?Ich vergeude doch nicht dieses leckere Essen.? Mit der Gabel deute ich erst auf mein halb aufgegessenes Hühnchen, dann auf Lydia. ?Au?erdem gehe ich nicht eher, bis ich deine Ballettbilder gesehen habe.?

Lydia lacht, und James schüttelt l?chelnd den Kopf.

Ich widme mich wieder meinem Essen und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich die Begegnung mit Mortimer Beaufort beunruhigt hat.

Der Rest des Essens verl?uft deutlich entspannter, dennoch bin ich froh, als wir nach dem Dessert in Lydias Zimmer gehen und die Tür hinter uns zuziehen k?nnen. Jetzt sitzen wir auf ihrem gro?en, gemütlichen Sofa und bl?ttern alte Fotoalben durch.

?Ihr wart entzückend?, seufze ich und deute auf ein Bild, auf dem James und Lydia einander umarmen, die kleinen Pausb?ckchen fest aneinandergedrückt.

?Auf dem Bild sind wir drei. Guck mal, was für Locken ich früher hatte?, meint Lydia und deutet auf die kleinen Kringel auf ihrem Kopf.

?Sind die nicht mehr so??, frage ich.

Sie schüttelt den Kopf und f?hrt sich mit einer Hand über den Pferdeschwanz. ?Nein. Wobei ich darüber auch ganz froh bin. Die jeden Morgen b?ndigen zu müssen würde mich wahrscheinlich in den Wahnsinn treiben.?

?Aber sie sahen so niedlich aus. James hatte gar keine Locken.?

Ich sehe zu James, der in einem der beiden Sessel sitzt, die gegenüber der Couch stehen, und durch ein Reisemagazin bl?ttert.

?Seine Haare sahen schon immer so aus wie jetzt?, rei?t Lydia mich aus meinen Gedanken.

Ich beuge mich vor, um mir das Foto genauer anzusehen. ?Den ernsten Blick hatte er früher auch schon drauf?, merke ich an.

Lydia schnaubt und bl?ttert um. Auf der n?chsten Seite erscheint das Bild eines schmollenden Mini-James, der eine leere Eiswaffel in der Hand h?lt.

?Das Eis ist ihm aus der Waffel gefallen?, erkl?rt Lydia grinsend.

?Armer Baby-James?, murmle ich und muss ebenfalls grinsen. Als ich zu James rübersehe, hat dieser blo? eine Augenbraue nach oben gezogen.

?Lydia, du brauchst nicht so zu tun, als h?ttest du Mitleid. Ich habe dein h?misches Lachen immer noch im Ohr?, sagt er trocken.

?Das stimmt doch überhaupt nicht!?

?Ach nein? Du hast also nicht gelacht??, entgegnet er sp?ttisch.

?Doch schon, aber nach kurzer Zeit habe ich dir angeboten, mein Eis mit dir zu teilen.?

?Du hattest Bananeneis. Welcher Mensch mag bitte Bananeneis??

?Ich nicht?, schalte ich mich ein.

James deutet auf mich. ?Siehst du.?

?Ihr habt beide eine Schraube locker?, sagt Lydia kopfschüttelnd und bl?ttert weiter. Auf den n?chsten Bildern sind die Zwillinge bestimmt schon sechs oder sieben, und jetzt tauchen immer ?fter auch Alistair, Wren, Cyril oder Keshav neben ihnen auf.

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