Save You (Maxton Hall, #2)(55)
?Du siehst so sch?n aus?, sagt meine Schwester.
?Und du erst?, gebe ich wie von selbst zurück. Dann hebe ich das Handy hoch, schalte wieder die Frontkamera ein und ziehe Ruby dicht an meine Seite. ?Sag ?Cheese?!?
Zusammen grinsen wir in die Kamera. Nachdem ich mindestens zehnmal auf den Ausl?ser gedrückt habe, l?st Ruby sich von mir, und ich gehe schnell die Bilder durch.
Bei den Fotos von mir vor der Schule muss ich l?cheln.
Noch vor drei Jahren war es die reinste Tortur für mich, Kleidung zu finden, die nicht nur passt, sondern auch gut aussieht. Plus-Size-Sachen sind oft merkwürdig geschnitten, denn obwohl ich dick bin, habe ich eine Taille, und die meisten Designer scheinen zu denken, dass alle übergewichtigen denselben K?rperbau haben. Aber das entspricht nicht der Realit?t. Deshalb bin ich über die Fortschritte, die ich mit meinem Blog mache, umso glücklicher. Denn es erlaubt mir, an einem Abend wie heute ein solches Kleid zu tragen und mich so glamour?s wie noch nie zu fühlen.
Müsste ich meine Gefühle in Buchstaben beschreiben, würde das Ganze ungef?hr so aussehen:
KDJGDHUSGüAOHBS!
Was mich darauf bringt, dass ich vermutlich ein bisschen zu viel Zeit mit meinem Laptop verbringe.
?Ember? Kommst du??
Ich hole schnell zu Ruby auf, die auf die Uhr ihres Handys linst. Wir liegen gut in der Zeit, sind wahrscheinlich sogar zu früh, aber meine Schwester ist trotzdem total aufgekratzt. So ist sie immer vor den Veranstaltungen, die sie für die Maxton Hall organisiert. Ich frage mich, woher sie die Energiereserven für die Vorbereitung dieser Partys nimmt. Ich bin schon mit meinen Hausaufgaben und meinem Blog rund um die Uhr besch?ftigt und muss mich nicht nebenbei auch noch auf Abschlussprüfungen und ein Studium in Oxford vorbereiten. Manchmal kommt es mir vor, als w?re sie eine Maschine – eine Maschine, die ab und zu ganz sch?n dunkle Ringe unter den Augen hat. Mum fragt sie ?fter, ob es nicht alles ein bisschen viel auf einmal ist, aber Ruby beteuert, dass ihr die Arbeit Spa? macht. Und das glaube ich ihr auch.
?Das wird schon alles?, sage ich, aber ich fürchte, meine Stimme hat nicht den beruhigenden Effekt, den ich erreichen wollte. Dafür bin ich viel zu abgelenkt und hibbelig.
?Danke.? Ruby wirft mir einen unruhigen Blick von der Seite zu. ?Du denkst an unsere Abmachung, oder??
?Ich bleibe in deiner N?he und spreche nur mit Leuten, die du vorher absegnest?, zitiere ich sie.
Ruby nickt zufrieden.
Ich rolle mit den Augen. Ruby hat panische Angst, ich k?nnte mich mit Leuten anfreunden, die sie nicht für gut befindet. Dabei freue ich mich darauf am meisten. An diese Schule gehen S?hne und T?chter von Politikern, Schauspielern, Adeligen und Bankern, und es ist die perfekte Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen. Ich bin gut darin, Small Talk zu halten und mich mit Leuten anzufreunden, sobald diese bereit sind, mich zu sehen und mich nicht wegen meines Gewichts von Anfang an in eine d?mliche Schublade schieben.
Als wir die Boyd Hall betreten, hakt Ruby sich bei mir unter.
?Whoa?, murmle ich und sehe mich um.
Der Eingangsbereich des Saals ist prunkvoller als jedes Geb?ude, in dem ich jemals gewesen bin. Kaum zu fassen, dass das Teil einer Schule ist. W?hrend die Veranstaltungen von meiner Highschool in einer Sporthalle stattfinden, ist der Boden hier nicht kotzgrünes Linoleum, sondern gl?nzender Marmor. Die wei?en W?nde sind bestimmt fünf Meter hoch und mit wei?em Stuck und feinen goldenen Akzenten verziert. In der Mitte führt eine breite Treppe mit h?lzernem, geschwungenem Gel?nder in ein Obergeschoss mit Galerie.
Ich wei? gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll. Mein Blickfeld ist voller teurer Anzüge sowie Haute-Couture-Kleider aus Chiffon, Seide und Tüll, und mein Herz schl?gt immer schneller. Dabei ist das hier nur der Eingang.
Wir geben unsere Jacken an der Garderobe ab, dann ziehe ich Ruby in den eigentlichen Veranstaltungssaal, wo es mir komplett den Atem verschl?gt.
Die Boyd Hall sieht aus, als w?re sie einem M?rchen entsprungen. Ruby hat mir auf dem Weg hierher erz?hlt, wie viel Arbeit sie gestern noch hatten und was sie alles aufgebaut und geschmückt haben, aber niemals h?tte ich erwartet, dass es so traumhaft sein würde.
Kellner schl?ngeln sich mit Tabletts, auf denen Sektfl?ten mit Champagner und Orangensaft stehen, zwischen den Tischen hindurch, und an einem schwarzen Flügel auf der Bühne sitzt ein Pianist im Frack, der eine klassische Melodie spielt, die die ganze Halle erfüllt.
?Ich kann gar nicht glauben, dass du das alles organisiert hast?, wispere ich und sto?e Ruby meinen Ellenbogen leicht in die Seite.
?Das war das ganze Team?, gibt sie wie von selbst zurück. Sie kneift die Augen zusammen und betrachtet die runden Tische in der Mitte des Saals, an denen bereits vereinzelt G?ste Platz genommen haben, dann die langen Tische an der linken Seite, wo sp?ter vermutlich das Buffet aufgebaut sein wird. Ich kenne diesen Blick genau – Ruby kontrolliert, ob auch alles genau so ist, wie sie es sich vorgestellt hat.
?Ruby!?, erklingt eine Stimme, die ich definitiv nicht kenne.
Ich drehe meinen Kopf und entdecke einen blassen Jungen mit halblangem, dunklem Haar und hübschen, von dichten Wimpern umrahmten onyxfarbenen Augen. Er hat einen markanten Kiefer und hohe Wangenknochen, die irgendwie nicht zu dem jungenhaften Grinsen und seinen fr?hlich leuchtenden Augen passen wollen.
?Kieran, hi?, gibt Ruby zurück und setzt ein L?cheln auf, das ich an ihr so noch nie gesehen habe. Es ist h?flich, professionell, aber gleichzeitig irgendwie reserviert. Auf jeden Fall nicht das L?cheln meiner Schwester.