Save You (Maxton Hall, #2)(60)



Ich seufze.

Und in dem Moment sehe ich Wren.

Er lehnt an der Wand neben der gro?en Eingangstür. Und er l?chelt zu mir rüber. Kurz bin ich versucht, mich umzudrehen, um sicherzugehen, dass sein Blick wirklich mir gilt, aber … nein, er sieht mich ganz direkt an. Wie vorhin auch.

Ich überlege genau zwei Sekunden. Dann entschuldige ich mich bei Kieran und gehe, seinen Protest ignorierend, zu Wren. Sein Blick weicht nicht von mir, als ich mich ihm langsam n?here, und mit einem Mal kommt mir der Weg viel l?nger vor, als er eigentlich ist.

?Du bist wieder da?, sage ich, als ich in einigem Abstand vor ihm stehen bleibe.

Er nickt l?chelnd. ?Wir waren noch nicht fertig miteinander. Oder??

Ich wei? nicht, ob er das absichtlich so zweideutig klingen l?sst. Habe ich ihm etwas Falsches vermittelt, indem ich zu ihm gegangen bin? Denn w?hrend er gerade eindeutig mit mir geflirtet hat, m?chte ich mich lediglich mit ihm unterhalten – mehr nicht.

?Nein, waren wir nicht?, antworte ich trotzdem. Die Aufmerksamkeit und das Interesse in Wrens Blick sind eine willkommene Abwechslung zu den gleichgültigen Mienen der restlichen G?ste. Vielleicht wird dieser Abend doch kein totaler Reinfall.

Sei trotzdem vorsichtig, flüstert eine Stimme in meinem Hinterkopf.

Im n?chsten Moment greift Wren nach meiner Hand. überrascht sehe ich erst auf unsere verschlungenen Finger und dann hoch in sein Gesicht. Er hebt eine Augenbraue, gleichzeitig drückt er meine Hand, als w?re es das Selbstverst?ndlichste der Welt. Es f?llt mir unglaublich schwer, ihn einzusch?tzen.

Wren nickt in Richtung Ausgang.

Ich überlege kurz und werfe einen Blick über die Schulter. Ruby ist noch nicht wieder aufgetaucht, und auch Kieran ist verschwunden.

Wren drückt noch einmal sanft meine Hand. Ich glaube, ich habe noch nie einen so interessanten Jungen wie ihn gesehen. Sein Instagram-Account wird ihm nicht gerecht, finde ich. Seine Bilder wirken gewollt – gewollt fr?hlich, gewollt cool –, dabei ist seine Pers?nlichkeit in Wirklichkeit viel einnehmender. Und ziemlich mysteri?s. Ich will unbedingt wissen, was es mit der Sache von vorhin auf sich hatte. Wieso er dieses l?ssige L?cheln vort?uscht, sein Blick aber gleichzeitig düster ist.

Schlie?lich nicke ich, und gemeinsam gehen wir in den Eingangsbereich der Boyd Hall. Eine Frau in einem umwerfend sch?nen burgunderfarbenen Kleid l?uft an uns vorbei, und ich drehe mich nach ihr um. Als ich den mit feiner Spitze ges?umten Rückenausschnitt sehe, seufze ich leise.

Wren wirft mir einen Seitenblick zu.

?Ich habe eine Schw?che für Mode. Und die ganzen Kleider, die die Leute hier tragen … Am liebsten würde ich mir von allen die Schnittmuster besorgen, um sie nachzun?hen.?

Ich sehe Wren an, um einsch?tzen zu k?nnen, ob er das merkwundig findet, aber seine Augen funkeln. Er deutet auf die geschwungene Treppe, die ins obere Stockwerk führt. ?Ich habe eine Idee.?

Ich folge ihm, bemüht darum, nicht auf den Saum meines Kleides zu treten, als wir die breiten Stufen hochgehen. Oben angekommen biegt Wren links ab und führt mich einen langen, dunklen Flur entlang.

Die G?nge in meiner Schule sind schmutzig, die wei?e Farbe der W?nde l?ngst vergilbt. Von den Schlie?f?chern bl?ttert seit Jahren der dunkelgrüne Lack immer mehr ab, und die wenigen Bilder zwischen den Türen zu den Klassenzimmern haben Schüler mit Edding bemalt. Der Unterschied zu diesem Flur k?nnte nicht gr??er sein. Hier h?ngen teuer aussehende Gem?lde in schweren Rahmen, au?erdem Fotos von bekannten Absolventen der Maxton Hall. Es gibt Glask?sten, in denen Schmuckstücke liegen, die der Schule gesponsert wurden, und auch ein paar im Kunstunterricht erbaute Skulpturen.

Ich bin so damit besch?ftigt, mich umzusehen, dass ich beinahe in Wren hineinlaufe, als er pl?tzlich stehen bleibt. Er sieht sich kurz um und l?sst sich dann auf einer h?lzernen Sitzbank nieder. Er klopft auf den freien Platz neben sich, und ich setze mich hin.

?Guck mal?, sagt er mit einem Nicken auf das Gel?nder direkt vor uns.

Neugierig schaue ich durch die Lücke zwischen den Holzst?ben.

Ein L?cheln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Von hier aus hat man beste Sicht auf den Eingangsbereich der Boyd Hall und kann die Menschen beobachten, ohne dass sie es bemerken. Ich bezweifle, dass man uns erkennen würde, wenn man von unten hier hochsehen würde. Dafür ist dieser Teil der Galerie zu dunkel.

?Du bist ein Genie?, sage ich strahlend.

Wren grinst. ?So hat mich bisher noch niemand genannt.?

?Dann verleihe ich dir diesen Titel hiermit feierlich.? Ich tue so, als würde ich ihn zum Ritter schlagen, indem ich einen Schwertschlag auf seinen Schultern andeute. Im selben Moment greift Wren erneut nach meiner Hand und h?lt sie fest. Sein Grinsen weicht einem ganz anderen Gesichtsausdruck. Mit einem Mal sind seine Augen ernst und sein Blick bedeutungsvoll. Es weckt ein Kribbeln in meinem Magen, das sich nach allen Seiten ausbreitet.

Mich hat noch nie jemand so angesehen. Wirklich noch nie.

Da wo ich herkomme, gibt es keine Kerle wie Wren. In den Augen meiner Mitschüler bin ich einfach nur Ember. Die meisten von ihnen kennen mich seit dem Kindergarten oder der Vorschule, und keiner von ihnen sieht mich an, als w?re ich wertvoll oder begehrenswert. Ich habe ernsthafte Probleme, gleichm??ig zu atmen.

Wrens Blick wandert zu meinem Mund, zurück zu meinen Augen und wieder nach unten. Noch immer h?lt er meine Hand in seiner. Mit der anderen streicht er mir eine Haarstr?hne aus dem Gesicht. Dabei streift sein Daumen meine Schl?fe, und ein Schauer geht durch meinen K?rper.

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