Save You (Maxton Hall, #2)(70)



?M?chtest du darüber sprechen??

Der Arzt führt im Video noch immer seine Untersuchungen durch, und ich drücke die Leertaste, um das Video anzuhalten.

James ist eine Weile still, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Wieder greife ich vorsichtig nach seiner Hand, wie vorhin, bevor wir von Ember unterbrochen wurden. James dreht seine Handfl?che nach oben, sodass wir unsere Finger miteinander verschr?nken k?nnen.

?Ich h?tte nicht gedacht, dass es sich so anfühlen würde?, f?ngt er schlie?lich an.

?Was meinst du??, frage ich leise.

Er schluckt hart. ?Ohne meine Mum.?

Ich drücke seine Hand, um ihn zu ermutigen weiterzusprechen. Und das tut er.

James beginnt, mir von den letzten beiden Monaten zu erz?hlen. Erst stockend, dann ein bisschen flie?ender, bis er sich in einem richtigen Redefluss befindet. Er erz?hlt mir von den Schuldgefühlen gegenüber seiner Mutter, weil er das Gefühl hat, falsch zu trauern. Von der Angst um Lydia, die ihn jeden Tag beim Aufwachen und Schlafengehen begleitet. Von den Meetings bei Beaufort, bei denen es sich für ihn anfühlt, als w?re seine Seele von seinem K?rper getrennt und als würde er alles wie ein Au?enstehender betrachten. Er erz?hlt mir, dass sein Vater ihm und Lydia verboten hat, ihre Tante Ophelia zu besuchen. Dass Lydia sich dringend nach einer Hebamme umsehen müsste, aber Angst davor hat, ihr Geheimnis k?nnte auffliegen. Und dass es ihm leidtut, seine Freunde in den letzten Monaten vernachl?ssigt zu haben.

Wir sitzen den ganzen Tag in meinem Zimmer und reden. Nicht nur über James’ Familie, sondern über alles M?gliche. Die Schule, Embers Blog, mein Gespr?ch mit Alice Campbell am Abend zuvor, das ich noch gar nicht richtig verarbeiten konnte.

Um kurz nach fünf ruft Dad mich auf meinem Handy an. Er bevorzugt diese Methode, anstatt wie Mum durchs ganze Haus zu brüllen oder Ember in mein Zimmer zu schicken.

?Das Essen ist fertig?, sage ich.

Hand in Hand gehen wir zur Tür. Gerade als ich sie ?ffnen will, zieht James mich noch mal zurück. Er umarmt mich und drückt mich kurz an sich.

?Danke?, raunt er dicht an meinem Ohr.

Ich brauche nicht zu fragen, wofür.





22


James

Mr Bells Bolognese fantastisch.

Die Spaghetti sind al dente, und das Zusammenspiel von verschiedenen Kr?utern, Tomaten, Knoblauch und einem Hauch Rotwein in der So?e schmeckt so gut, dass ich überhaupt nichts gegen das genüssliche St?hnen machen kann, das mir über die Lippen kommt.

Als ich meinen ersten Bissen heruntergeschluckt habe, liegen vier Augenpaare auf mir. Rubys gesamte Familie sieht mich an. Vor allem Mr Bells Blick macht mich nerv?s. Seit ich beim Tischdecken das Besteck falsch rum hingelegt habe, beobachtet er mich mit zusammengekniffenen Augen, als würde er nur auf den n?chsten Fehler von mir warten, der ihm zeigt, dass ich nicht gut genug für seine Tochter bin. Dabei wei? ich eigentlich ganz genau, wie man Besteck richtig auslegt. Bei uns zu Hause finden manchmal Gesch?ftsessen statt, bei denen drei verschiedene Besteckgarnituren auf den Tischen liegen. Dass ich es vorhin nicht auf die Reihe bekommen habe, liegt sicher nicht daran, dass ich bl?d bin, sondern einfach an der Aufregung.

Ich r?uspere mich, setze mich aufrecht hin und sage aus vollster überzeugung: ?Das ist die beste Bolognese, die ich je gegessen habe.?

Rubys Mutter l?chelt mich an. Ember murmelt hinter vorgehaltener Hand etwas, was wie ?Schleimer? klingt. Immerhin wirkt Mr Bells Gesicht danach ein bisschen freundlicher. Jetzt kann ich auch erkennen, dass Ruby und Ember ihre Augen eindeutig von ihm geerbt haben, und zwar nicht nur die Farbe, sondern auch die Intensit?t, die in ihren Blicken liegt.

?James?, sagt Mrs Bell – Helen, wie ich mich in Gedanken korrigiere –, als ich mir gerade einen weiteren Bissen Pasta in den Mund geschoben habe. ?Wei?t du schon, was du nach der Schule machen wirst??

Ich versteife mich automatisch. Doch dann sehe ich Rubys erwartungsvollen Blick, und er erinnert mich daran, dass diese Leute Rubys Familie sind und ich ihnen nichts vorspielen muss.

?Ich habe eine Zusage von Oxford bekommen?, antworte ich also z?gerlich, ohne die übliche H?rte in der Stimme. ?Und ich bin jetzt schon Teilhaber von Beaufort.?

?Wolltest du das schon immer machen??, fragt Helen weiter.

Okay. Vielleicht muss ich ihnen nichts vorspielen, aber ich kann auch nicht mein gesamtes Innenleben vor diesen nahezu Fremden freilegen. Das geht einfach nicht. Langsam zerkaue ich die Pasta und tue so, als würde ich nachdenken, um nicht sofort antworten zu müssen.

?Ruby wusste schon so früh, dass sie nach Oxford gehen m?chte. Manchmal frage ich mich, ob das bei allen Maxton-Hall-Schülern so aussieht?, setzt sie hinterher und l?chelt ihre Tochter an, die links neben mir sitzt und unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutscht.

Ich schlucke runter und trinke einen Schluck Wasser. ?Nicht alle sind so wie Ruby, das kann ich Ihnen versichern.?

?Was soll das denn hei?en??, fragt Ruby emp?rt.

?Ich kenne niemanden, der sich Oxford so sehr gewünscht hat wie du. Meine Freunde und ich haben auch darauf hingearbeitet, aber ich bin mir sicher, dass niemand so hart geschuftet hat wie du.? Ich überlege kurz, ob das zu sehr danach klingt, als wollte ich mich bei ihrer Familie einschmeicheln, indem ich Ruby vor allen lobe. ?Es kann aber auch sein, dass ich ein bisschen voreingenommen bin.?

Daraufhin lachen alle am Tisch. Anscheinend fanden sie das wirklich lustig. Ich runzle die Stirn. Alles, was ich gesagt habe, war absolut ehrlich gemeint. Ich h?tte nicht gedacht, dass sie darüber lachen würden. Ein ungewohntes Gefühl macht sich in meinem Bauch breit, und ich nehme noch eine Gabel voll Pasta, um es zu verdr?ngen.

Mona Kasten's Books