Save You (Maxton Hall, #2)(27)



Wahrscheinlich ist Lydia wieder zu Hause.

Ich ?ffne die Tür, um ihr ein frohes neues Jahr zu wünschen – und erstarre.

Meine Schwester steht nicht allein im Flur.

Ich reibe mir über die Augen, weil ich glaube zu tr?umen – aber nein. Nachdem ich die Hand wieder sinken lasse, sehe ich immer noch zwei Personen.

Ruby steht in unserem Flur.

Unter dem Arm hat sie ein dunkelblaues Kn?uel geklemmt. Ich muss nicht lang grübeln, um zu wissen, worum es sich dabei handelt. Es ist mein Pullover. Der, den ich ihr nach Cyrils Party übergezogen habe. Der, den ich nicht in meinem Schrank vermisst habe, weil es mir ein gutes Gefühl gegeben hat, zu wissen, dass er bei Ruby ist.

Ruby spricht leise mit meiner Schwester, woraufhin diese nickt. Sie wirft mir einen kurzen Blick zu, sieht aber sofort wieder weg und verschwindet in ihrem Zimmer. Gut zu wissen, dass ich meine Schwester so vergrault habe, dass sie es noch nicht mal über sich bringt, mir ein frohes neues Jahr zu wünschen.

?K?nnen wir reden??, fragt Ruby schlie?lich.

Ich schlucke schwer. Ich habe sie so lange nicht gesehen oder geh?rt, und jetzt steht sie nur knapp drei Meter entfernt von mir. Ihre N?he l?sst mein Herz wild pochen, am liebsten würde ich die Distanz zwischen uns überbrücken und sie in den Arm nehmen. Schlie?lich nicke ich nur, drehe mich um und gehe zurück in mein Zimmer. Ruby folgt mir z?gerlich. Ich knipse das Licht an und seufze. Hier drin hat es definitiv schon mal besser ausgesehen. Mitten auf dem Boden liegt die karierte Schlafanzughose, die ich eben abgestreift habe, überall fliegen Magazine rum, das Bett ist ungemacht, und vermutlich riecht es nach fettigem Lieferessen.

Au?erdem steht Rubys Tasche total auff?llig auf meinem Schreibtisch.

Ruby blickt sich um und wirkt unentschlossen. Letztlich nimmt sie auf dem kleineren der beiden Sofas Platz. Mein Pulli liegt auf ihrem Scho?.

Wieso kommt mir das Zimmer mit einem Mal so verflucht warm vor? Ich glaube, ich brauche dringend einen Schluck Wasser.

?M?chtest du was trinken??, frage ich.

?Nein, danke.?

Ich schenke mir Wasser ein, doch als ich das Glas hochheben will, merke ich, dass meine Hand zittert. Also lasse ich es auf dem Schreibtisch stehen und sehe stattdessen Ruby an.

Sie schweigt.

?Hattet ihr einen sch?nen Abend??, versuche ich nach ein paar Minuten krampfhaft die Stille zwischen uns zu durchbrechen.

Ruby zieht die Brauen zusammen. ?Ja?, sagt sie nur.

Mehr nicht.

Es ist mir noch nie so schwergefallen, die richtigen Worte zu finden wie in dieser Sekunde. Es kommt mir vor, als h?tte ich vergessen, wie man vernünftige S?tze bildet. Nachdem ich so viel darüber nachgedacht habe, was ich Ruby alles sagen m?chte, befindet sich jetzt ein schwarzes Loch in meinem Kopf, das immer gr??er wird, je l?nger wir uns schweigend gegenübersitzen. Ich kann Ruby einfach nur ansehen. Der Wunsch, mich neben sie zu setzen, ist überw?ltigend. Aber ich k?mpfe dagegen an und ziehe stattdessen den Schreibtischstuhl zur Couch, sodass ich ihr gegenübersitze und wir uns ansehen k?nnen.

?Wir haben vorhin unsere Vors?tze aufgeschrieben?, sagt Ruby irgendwann.

Ich warte, bis sie weiterspricht.

?Dabei ist mir aufgefallen, dass es noch zu viele Dinge gibt, die zwischen uns ungekl?rt sind. Ich kann so nicht mit einem guten Gefühl ins neue Jahr starten.?

Mein Puls geht in die H?he. Darauf war ich definitiv nicht vorbereitet. Ich muss mich r?uspern. ?Okay.?

Ruby senkt den Blick auf den Pullover in ihrem Scho?. Sie streicht mit der Hand über den Stoff, eine gedankenverlorene Geste. Dann nimmt sie ihn in die Hand und legt ihn auf den kleinen runden Tisch, der zwischen uns steht.

Sie sieht auf, und unsere Blicke treffen sich. Ich kann die verschiedensten Emotionen in ihren Augen erkennen: Trauer. Schmerz. Und nicht zuletzt ein Funke Wut, der gr??er wird, je l?nger ihr Blick auf mir verweilt.

?Ich bin so unfassbar entt?uscht von dir, James?, flüstert sie pl?tzlich.

Meine Brust zieht sich schmerzhaft zusammen. ?Ich wei??, flüstere ich zurück.

Sie schüttelt den Kopf. ?Nein. Du wei?t nicht, wie sich das angefühlt hat. Du hast mir das verdammte Herz rausgerissen. Und ich hasse dich dafür.?

?Ich wei??, wiederhole ich mit belegter Stimme.

Ruby holt tief Luft. ?Aber ich liebe dich auch, und das macht das Ganze so viel schwerer.?

?Ich …? Erst nach ein paar Sekunden realisiere ich, was sie gerade gesagt hat. Sprachlos starre ich sie an.

Doch Ruby spricht einfach weiter, als w?ren ihre Worte nicht bedeutungsvoll gewesen. ?Ich glaube nicht, dass das mit uns jemals funktioniert h?tte. Es war sch?n, auch wenn wir nur diese kurze Zeit miteinander hatten, aber jetzt muss ich …?

?Du liebst mich??, wispere ich.

Ruby zuckt zusammen. Dann setzt sie sich kerzengerade hin. ?Das ?ndert nichts. Die Art, wie du mich behandelt hast … Du hast eine andere geküsst, am Tag nachdem wir miteinander geschlafen haben.?

?Es tut mir so leid, Ruby?, sage ich eindringlich, auch wenn ich wei?, dass meine Worte nicht genug sind.

?Und es ?ndert auch nichts an meinem Vorhaben, das kommende Jahr ohne dich zu beginnen?, f?hrt Ruby fort.

Der Schmerz, den ihre Worte mir bereiten, raubt mir schier den Atem. Ich kenne Ruby. Wenn sie sich ein Ziel gesteckt hat, verfolgt sie es und l?sst sich von niemandem davon abbringen. Sie ist hier, um mit mir abzuschlie?en.

?Das wird nie wieder … Ich werde so etwas nie wieder tun?, sto?e ich atemlos hervor.

?Das hoffe ich für deine n?chste Freundin wirklich sehr.?

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