Save You (Maxton Hall, #2)(26)



Doch w?hrend ich mich den letzten Details an meiner überschrift widme und die Zahl des kommenden Jahres mit einem hellen Grau umrande, wird mir pl?tzlich wieder schwer ums Herz. N?chstes Jahr um diese Zeit wird alles anders sein:

Schon in sieben Monaten werde ich – hoffentlich – meinen Abschluss vom Maxton Hall College in der Tasche haben. Und danach werde ich – hoffentlich – in Oxford studieren. Ich werde neue Dozenten haben und neue Kommilitonen. Ein Wohnheimzimmer in einer neuen Umgebung und neue Freunde.

Ein neues, aufregendes Leben.

Ein Leben ohne James Beaufort.

Der Gedanke kommt pl?tzlich und schmerzt mehr, als ich es für m?glich gehalten h?tte, aber ich versuche, ihn beiseitezuschieben. Ich schnappe mir einen Stift und fange an zu schreiben:

Vors?tze:

       Den Schulabschluss schaffen

   Oxford

   Engen Kontakt zu Mum, Dad und Ember halten

   Mindestens eine neue Freundin/einen neuen Freund finden

   Nicht mehr so viel darüber grübeln, was andere m?glicherweise von mir denken



Doch w?hrend ich einen Punkt nach dem anderen notiere, merke ich, dass es sich nicht richtig anfühlt. Diese Liste ist nicht ehrlich genug, und wenn ich in mich hineinh?re, wei? ich auch, warum.

Im vergangenen Jahr habe ich mich zum ersten Mal verliebt – und mir wurde auf mieseste Weise das Herz gebrochen. Diese Sache l?sst sich nicht einfach so wegwischen. Ich werde noch eine ganze Weile brauchen, bis ich das verarbeitet habe. Denn Liebeskummer verschwindet nicht, nur weil man ein neues Jahr eingel?utet hat.

Bisher wollte ich James nicht sehen. Ich hatte die Hoffnung, ihn irgendwann einfach vergessen zu k?nnen. Doch jetzt merke ich, dass ich meine Vors?tze nicht aufschreiben kann, solange diese Sache zwischen uns noch ungekl?rt ist. Es gibt viel zu viel, was ich ihm sagen m?chte. Und ich glaube, solange ich das nicht getan habe, werde ich nicht ins neue Jahr starten k?nnen. Ich werde nicht neu anfangen k?nnen, wenn James weiterhin einen so gro?en Platz in meinen Gedanken, meinen Gefühlen und in meinem Leben einnimmt.

?Ruby?? Lins Stimme dringt wie aus weiter Ferne an mein Ohr.

Ich sehe sie an und treffe einen Entschluss.

Doch bevor ich diesen umsetze, werde ich mit meinen Freundinnen ins neue Jahr feiern.

James

Silvester ist bei uns normalerweise legend?r. In den vergangenen Jahren haben wir uns entweder eine Villa an einem See gemietet oder Partys in London gefeiert, die schon Monate im Voraus ausgebucht waren. Wir haben bis in die Morgenstunden getrunken und alles um uns herum vergessen.

Dieses Jahr verbringe ich Silvester allein zu Hause.

Wo mein Dad ist? Keine Ahnung. Unsere Angestellten haben heute Abend frei, und Lydia ist bei einer Freundin. Bei wem, hat sie mir nicht verraten. Seit unserem Streit vor ein paar Tagen ignoriert sie mich und spricht nur mit mir, wenn es sein muss.

Wren hat mehrmals versucht, mich zu überreden, auch dieses Jahr mit ihm und den Jungs wegzufahren, aber ich konnte mich dazu nicht aufraffen. Allein wenn ich mir vorstelle, jetzt bei ohrenbet?ubender Musik und Champagner in einem Londoner Club zu sitzen, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Ich kann nicht mehr so weitermachen wie bisher. Nicht, nachdem mein Leben sich im letzten Vierteljahr um einhundertachtzig Grad gedreht hat. Nicht, wenn es in mir drin vollkommen anders aussieht als früher.

Ich verbringe den Abend damit, mir Dokumentationen über wilde Tiere in der Savanne Kenias auf meinem Laptop anzuschauen und Pommes und Kebab aus Pappschachteln vom Lieferservice zu essen. Manchmal gelingt es mir, mich fünf Minuten am Stück abzulenken. Doch die allermeiste Zeit denke ich an Ruby.

In den letzten Wochen habe ich festgestellt, wie frustrierend es ist, dass wir nicht genügend gemeinsame Erinnerungen gesammelt haben. Es gibt keine Fotos von uns beiden, nichts, was mich an das erinnern k?nnte, was wir miteinander erlebt haben. Das Einzige, was übrig geblieben ist, ist die Tasche, die ich zu ihrem Geburtstag habe anfertigen lassen. Sie steht immer noch neben meinem Schreibtisch und verh?hnt mich t?glich. Ich kann l?ngst nicht mehr z?hlen, wie oft ich sie schon in die Hand genommen und nachgesehen habe, ob Ruby vielleicht etwas darin vergessen hat. Eine Notiz oder irgendetwas, was einen Hinweis darauf gibt, dass sie sie wirklich benutzt und sich darüber gefreut hat.

Ich habe das Gefühl, meine Erinnerungen beginnen langsam zu verblassen. Das Gefühl von Rubys Haut an meiner, unsere Gespr?che, ihr Lachen. Alles wird immer schwammiger und ungreifbarer, selbst der Tag, an dem sie hier war und mich getr?stet hat. Das Einzige, was ich nach wie vor deutlich vor Augen habe und was sich immer und immer wieder in meinem Kopf abspielt, ist der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie mich mit Elaine gesehen hat. Ich werde ihn nie vergessen. Und ich werde auch nie vergessen, was er – selbst durch die Alkohol-und Drogenwolke hindurch – mit mir gemacht hat. In jenem Moment, aber auch all die Tage danach.

Eigentlich war der Plan, ins neue Jahr zu schlafen, aber inzwischen ist es nach eins, und ich werde immer wacher. Kurzerhand beschlie?e ich, noch mal in den Fitnessraum zu gehen. Vielleicht wird eine Stunde auf dem Laufband nicht nur meinen K?rper müde machen, sondern auch meinen Kopf zum Schweigen bringen.

Ich ziehe mir meine Sportsachen an, schlüpfe in die Laufschuhe und schnappe mir mein iPhone, das seit heute Nachmittag unbeachtet auf meinem Schreibtisch gelegen hat. Die Kopfh?rer sind noch eingesteckt, und wie immer muss ich sie erst entwirren. Gerade als ich sie mir in die Ohren stecken will, h?re ich, wie jemand den Flur entlanggeht.

Mona Kasten's Books