Save You (Maxton Hall, #2)(9)



Ruby hebt meine Hand an ihren Mund und drückt ihre Lippen auf meinen Handrücken. Mein Herz f?ngt an, schneller zu schlagen, und ein Zittern geht durch meinen K?rper. Ihre Berührung tut so gut, auch wenn ihre Sanftheit mich fertigmacht. Alles daran fühlt sich falsch und richtig zugleich an.

Meine Eltern haben mir schon als Kind eingetrichtert, dass ich mir meine Gefühle nicht anmerken lassen darf. So lernen einen die Mitmenschen n?mlich kennen und k?nnen einen ab einem gewissen Punkt einsch?tzen. Sobald man Schw?che zeigt, macht man sich angreifbar – und das kann man sich als Gesch?ftsführer eines gro?en Unternehmens nicht leisten. Aber sie haben mich nicht auf eine solche Situation vorbereitet. Was tut man, wenn man mit achtzehn Jahren seine Mutter verliert? Für mich hat es darauf nur eine Antwort gegeben: Man versucht, die Wahrheit mit Alkohol und Drogen zu verdr?ngen und so zu tun, als w?re das alles nicht geschehen.

Doch jetzt, wo Ruby bei mir ist, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich so weitermachen kann. Ich lasse meinen Blick über ihr Gesicht wandern: über ihr leicht zerzaustes Haar und runter bis zu ihrem Hals. Ich erinnere mich noch genau daran, wie es war, meine Lippen auf die weiche Haut ihrer Kehle zu drücken. Wie überw?ltigend es sich angefühlt hat, sie zu halten. In ihr zu sein.

Jetzt sieht sie genauso traurig aus, wie ich mich fühle. Ich wei? nicht, ob sie nur an meine Mum denkt oder auch daran, wie sehr ich sie verletzt habe.

Aber es gibt eine Sache, die ich ganz bestimmt wei?: Ruby hat mein Verhalten nicht verdient. Sie hat mir immer das Gefühl gegeben, alles schaffen zu k?nnen. Und ganz gleich, was geschehen ist … Ich h?tte niemals zulassen dürfen, dass Elaine mich küsst, nur um mir selbst und allen anderen zu beweisen, dass ich ein gefühlskaltes Arschloch bin, dem nichts nahegeht – nicht einmal der Tod der eigenen Mutter. Ruby auf diese Weise von mir zu sto?en war feige. Und es war der gr??te Fehler, den ich je in meinem Leben begangen habe.

?Es tut mir leid?, sage ich heiser. Meine Kehle fühlt sich wie eingerostet an, und es kostet mich gro?e Mühe zu sprechen. ?Es tut mir so leid, was ich getan habe.?

Rubys gesamter K?rper versteift sich. Minuten vergehen, in denen sie sich nicht regt. Ich glaube, sie hat sogar aufgeh?rt zu atmen.

?Ruby …?

Sie schüttelt nur den Kopf. ?Nicht. Deswegen bin ich nicht hier.?

?Ich wei?, was für einen Fehler ich gemacht habe, ich –?

?James, h?r auf?, flüstert sie eindringlich.

?Ich wei?, dass du keinen Grund hast, mir zu verzeihen. Aber ich …?

Rubys Hand bebt, als sie sie meiner entzieht. Dann erhebt sie sich vom Bett. Sie streicht erst ihren Pullover glatt und drückt dann ihren Pony nach unten. Es wirkt, als würde sie ihr ordentliches Erscheinungsbild wieder herrichten wollen, das, mit dem sie mir zwei Jahre lang nicht aufgefallen ist. Dabei ist dafür viel zu viel zwischen uns geschehen. Es gibt nichts, was je dafür sorgen k?nnte, dass sie wieder unsichtbar für mich wird.

?Ich kann das jetzt nicht, James?, murmelt sie. ?Tut mir leid.?

Im n?chsten Moment durchquert sie mein Zimmer. Sie dreht sich nicht noch einmal zu mir um und sieht mich auch nicht an, als sie mein Zimmer verl?sst und die Tür leise hinter sich schlie?t.

Ich bei?e die Z?hne fest zusammen, als das Brennen hinter meinen Augen zurückkehrt und meine Schultern erneut zu beben beginnen.

Ich wei? nicht, wie lange ich in meinem Bett gelegen und die Wand angestarrt habe, aber irgendwann raffe ich mich auf und gehe nach unten. Drau?en ist es l?ngst dunkel geworden, und ich frage mich, ob die Jungs überhaupt noch hier sind. Kurz bevor ich den Salon betrete, kann ich ihre leisen Stimmen h?ren. Die Tür ist einen Spaltbreit offen, und ich halte mit der Hand an der Klinke inne.

?Das ist doch nicht mehr normal?, murmelt Alistair. ?Wenn er so weitermacht, s?uft er sich irgendwann ins Koma. Ich verstehe nicht, wieso er nicht mit uns redet.?

?Ich h?tte in seiner Situation auch keinen Nerv zu reden.? Keshav. Es verwundert mich nicht, dass ausgerechnet er das sagt.

?Du kennst aber auch deine Grenzen. Bei James bin ich mir da nicht mehr so sicher.?

?Wir h?tten es gar nicht so weit kommen lassen dürfen?, schaltet Wren sich ein. ?Bis gestern hab ich wirklich gedacht, er will einfach nur Oxford feiern.?

Einen Moment lang ist es still, dann f?hrt Wren leise fort: ?Wenn er nicht darüber reden will, müssen wir das akzeptieren.?

Alistair schnaubt. ?Und weiter dabei zusehen, wie er sich selbst zerst?rt? Wohl kaum.?

?Du kannst ihm den Alkohol und die Drogen wegnehmen?, murmelt Wren. ?Aber seine Mutter ist tot. Und solange er das nicht akzeptiert, sind wir machtlos, so beschissen das auch ist.?

Ein eiskalter Schauer l?uft meinen Rücken hinunter. Sie wissen es bereits. Die Vorstellung, gleich in ihre mitleidigen Gesichter blicken zu müssen, dreht mir den Magen um. Ich m?chte das nicht. Ich m?chte, dass alles wie vorher ist. Doch wenn Rubys Besuch mir eines gezeigt hat, dann dass es jetzt an der Zeit ist, mich der Sache zu stellen.

Also lasse ich meinen Nacken knacken, kreise die schmerzenden Schultern und betrete den Salon.

Alistair will gerade etwas erwidern, presst aber die Lippen fest zusammen, als er mich entdeckt. Ich gehe schnurstracks zum Getr?nkewagen und hole eine Flasche Whiskey heraus. Nüchtern stehe ich das, was ich gleich tun werde, nicht durch. Ich schenke mir ein Glas voll und trinke es in einem Zug aus. Dann stelle ich es ab und wende mich den Jungs zu. Alle au?er Cyril sind anwesend. Alistair schwenkt den letzten Rest Flüssigkeit in seinem Glas hin und her, den Blick fest auf den Boden geheftet. Kesh sieht mich aus dunklen Augen abwartend an, genau wie Wren. Obwohl sie es bereits wissen, fühlt es sich wichtig an, die folgenden Worte laut auszusprechen:

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