Save You (Maxton Hall, #2)(6)



?Warte kurz?, gibt Lydia zurück, dann legt sie auf.

Es dauert etwa eine halbe Minute, bis das Tor sich ?ffnet und jemand auf unser Auto zukommt. Erst als die Person nur noch wenige Meter von uns entfernt ist, erkenne ich sie.

Es ist Percy.

Der Anblick des Chauffeurs l?sst mein Herz einen Schlag aussetzen. Ohne Vorwarnung überkommen mich Erinnerungen. Erinnerungen an einen Tag in London, der sch?n begonnen, aber schlecht geendet hat. Und an eine Nacht, in der James sich liebevoll um mich gekümmert hat, weil seine Freunde sich danebenbenommen und mich in einen Pool gesto?en hatten.

Er zw?ngt sich an den Reportern vorbei und deutet Lin an, ihr Fenster herunterzufahren.

?Fahren Sie durch das Tor bis vors Haus, Miss. Diese Leute machen sich strafbar, wenn sie das Grundstück betreten. Sie werden Ihnen nicht folgen.?

Lin nickt, und nachdem Percy die Reporter dazu gebracht hat, zur Seite zu gehen, steuert sie den Wagen auf das weitl?ufige Grundstück. Die Auffahrt gleicht, was ihre Breite und L?nge angeht, eigentlich eher einer Landstra?e, die von einer park?hnlichen, von Frost überzogenen Grünfl?che umgeben ist. In der Ferne kann ich ein gro?es Haus ausmachen: Es ist rechteckig gebaut und besteht aus zwei Stockwerken und mehreren Giebeln. Das graue Schieferwalmdach ist genauso trist wie der Rest der Fassade, die aus Ziegeln erbaut, aber mit Granit verkleidet wurde. Trotz der Trostlosigkeit, die das Haus vermittelt, sieht man auf den ersten Blick, dass darin wohlhabende Menschen leben. Ich finde, es passt zu Mortimer Beaufort, weil es kalt und so derma?en wuchtig aussieht. Lydia und James kann ich mir darin allerdings kaum vorstellen.

Lin steuert den Wagen über den Vorhof und h?lt hinter einem schwarzen Sportwagen an, der seitlich vom Haus vor einer Garageneinfahrt steht.

?M?chtest du, dass ich mit reinkomme??, fragt sie, und ich nicke.

Die Luft ist eisig, als wir aussteigen und schnellen Schrittes auf die Eingangstreppe zugehen. Kurz vor der ersten Stufe packe ich Lins Arm. Meine Freundin dreht sich zu mir und sieht mich fragend an.

?Danke, dass du mich hierhergebracht hast?, bringe ich atemlos hervor. Ich wei? nicht, was mich in diesem Haus erwarten wird. Dass Lin bei mir ist, nimmt mir einen Teil meiner Angst und tut mir unglaublich gut. Vor dreieinhalb Monaten w?re das noch undenkbar gewesen – damals habe ich mein Privatleben strikt von meinem Schulleben getrennt und Lin so gut wie nichts Pers?nliches erz?hlt. Das alles hat sich ge?ndert. Vor allem durch James.

?Das ist doch selbstverst?ndlich.? Sie greift nach meiner Hand und drückt sie kurz.

?Danke?, flüstere ich erneut.

Lin nickt mir zu, dann gehen wir die Stufen nach oben. Lydia ?ffnet die Tür, bevor wir die Gelegenheit bekommen zu klingeln. Sie sieht noch genauso durch den Wind aus wie vor drei Tagen. Und jetzt wei? ich auch, wieso.

?Es tut mir leid, Lydia?, bringe ich hervor.

Sie bei?t sich fest auf die Unterlippe und senkt den Blick auf den Boden. In dieser Sekunde ist mir egal, dass wir uns eigentlich nicht gut kennen oder überhaupt in irgendeiner Weise nahestehen. Ich stolpere die letzte Stufe nach oben und umarme sie. Ihr K?rper beginnt zu zittern, sobald ich meine Arme um sie schlie?e, und ich muss unweigerlich an Mittwoch denken. H?tte ich gewusst, was geschehen ist und wie schlecht es ihr geht, h?tte ich sie auf keinen Fall allein gelassen.

?Es tut mir so leid?, wispere ich erneut.

Lydia krallt die Finger in meinen Pullover und vergr?bt das Gesicht an meinem Schlüsselbein. Ich halte sie fest und streichle ihren Rücken, w?hrend ich spüre, wie ihre Tr?nen meinen Pullover tr?nken. Ich kann mir nicht ausmalen, was in diesem Moment in ihr vorgehen muss. Würde meine Mutter sterben … ich wüsste nicht, wie ich das überstehen sollte.

W?hrenddessen schlie?t Lin leise die Haustür. Ihr Blick trifft meinen, als sie ein paar Meter entfernt von uns stehen bleibt. Sie sieht so betroffen aus, wie ich mich fühle.

Irgendwann l?st Lydia sich von mir. Tiefrote Flecken haben sich auf ihren Wangen ausgebreitet, ihre Augen sind ger?tet und gl?sern. Ich hebe die Hand und streiche ihr ein paar nasse Haarstr?hnen von der Wange.

?Kann ich irgendetwas für dich tun??, frage ich vorsichtig.

Sie schüttelt den Kopf. ?Sorg einfach nur dafür, dass mein Bruder wieder er selbst wird. Er steht v?llig neben sich. Ich …? Ihre Stimme ist kratzig und heiser vom vielen Weinen, und sie muss sich r?uspern, bevor sie weitersprechen kann. ?Ich habe ihn noch nie so erlebt. Er zerst?rt sich, und ich wei? einfach nicht, wie ich ihm helfen kann.?

Bei ihren Worten beginnt mein Herz schmerzhaft zu pochen. Das Bedürfnis, James zu sehen und ihn wie Lydia in den Arm zu nehmen, ist überw?ltigend – auch wenn ich mich vor der Begegnung fürchte.

?Wo ist er??

?Cyril und ich haben ihn in sein Zimmer gebracht. Er ist vorhin umgekippt.?

Bei ihren Worten zucke ich zusammen.

?Ich kann dich hinbringen, wenn du magst?, f?hrt sie fort und nickt in Richtung der gewundenen Treppe, die in die obere Etage führt. Ich drehe mich zu Lin um, doch meine Freundin schüttelt den Kopf. ?Ich warte hier. Geh nur.?

?Die Jungs sind hinten im Salon, falls du dich zu ihnen setzen m?chtest. Ich komme gleich nach?, sagt Lydia und deutet auf die andere Seite des Foyers, wo ein Flur abgeht, der in den hinteren Teil des Hauses führt. Jetzt erst f?llt mir die leise Musik auf, die von dort zu kommen scheint. Lin z?gert einen Moment, doch dann nickt sie.

Lydia und ich gehen gemeinsam die breite dunkelbraune Holztreppe nach oben. Dabei f?llt mir auf, dass es im Haus der Beauforts deutlich freundlicher aussieht, als es von au?en den Anschein macht. Das Foyer ist hell und einladend. Zwar h?ngen hier keine Familienfotos an den W?nden wie bei uns, wenigstens aber auch keine ?lgem?lde von seit Jahrhunderten verstorbenen Familienmitgliedern in goldenen Rahmen wie bei den Vegas. Die Bilder, die man hier angebracht hat, sind bunt und impressionistisch, und auch wenn sie keinen besonders pers?nlichen Eindruck machen, vermitteln sie eine willkommene Atmosph?re.

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