Save You (Maxton Hall, #2)(43)
Einen kurzen Moment lang schweigt sie und starrt auf ihre Knie. Ich würde gern etwas Aufmunterndes zu ihr sagen, halte mich aber zurück. Das ist das erste Mal, dass sie mir etwas über ihr Liebesleben erz?hlt, und ich muss ihr die Zeit geben, die sie dafür braucht, ohne sie zu unterbrechen.
?Allerdings war Cyril, seit ich ihn kenne, in Lydia verliebt, von daher war mir damals schon klar, dass das mit uns nichts werden kann. Trotzdem war ich am Boden zerst?rt, als sie etwas mit ihm angefangen hat. Sie haben das nie offiziell gemacht, aber du wei?t ja, wie schnell so was in der Schule rumgeht. Nachdem sie ihn abserviert hat … habe ich ihn getr?stet. Eines hat zum anderen geführt und …? Sie zuckt unbeholfen die Schultern, und der Griff um ihre Knie verfestigt sich.
Sie sieht so traurig aus, dass ich mich frage, wie mir das entgehen konnte.
?War es nur eine einmalige Sache oder mehr??, frage ich vorsichtig.
Lin schüttelt den Kopf und st??t ein atemloses Lachen aus. ?Wir schlafen seit zwei Jahren alle paar Wochen miteinander.?
Mein Mund klappt auf. Und wieder zu. Ich kann nicht glauben, dass sie das so lange vor mir verheimlicht hat. ?Ich … Wei? irgendjemand davon??
Lin schüttelt erneut den Kopf. ?Nein. Mir ist klar, dass es für Cy nur Lydia gibt. Das ist auch in Ordnung, aber deshalb will ich nicht, dass es rauskommt. Ich will mir wenigstens ein bisschen Würde bewahren, und wir waren ja auch nie zusammen oder so.? Sie z?gert einen Moment. ?Au?erdem hat es sich jetzt wahrscheinlich ohnehin erledigt.?
?Wie meinst du das??, frage ich.
?Seit Cordelia Beaufort gestorben ist, hat er sich nicht mehr gemeldet. Wahrscheinlich weil er zu sehr damit besch?ftigt ist, Lydia zu tr?sten.? Sie zuckt mit den Schultern. ?Er ignoriert meine Nachrichten und h?ngt jetzt in der Schule immer bei ihr rum.?
?Ich …? Ich unterbreche mich selbst und schüttle den Kopf. ?War es komisch für dich, Silvester mit Lydia zu verbringen??
Lin l?chelt schmal. ?Ich mag Lydia. Und sie kann ja auch nichts dafür, dass ich ausgerechnet den Kerl toll finde, der hoffnungslos in sie verliebt ist.?
?Ich wei? nicht, was ich sagen soll.?
?Das ist nicht schlimm, Ruby, wirklich. Ich h?tte mir nur gewünscht, dass er einfach ehrlich zu mir ist. Ich finde nicht, dass ich diese Funkstille verdient habe. Er h?tte mir einfach sagen k?nne, dass Lydia ihm noch eine Chance gibt. ?
?Ich glaube nicht, dass das der Grund ist.?
Sie zuckt wieder mit den Schultern. ?Es sollte mir egal sein. Es ist ja nicht so, als w?re ich unsterblich in ihn verliebt.?
Ihr Tonfall ist zwar unbekümmert, aber ihr trauriger Blick straft sie Lügen.
?Cyril ist ein Schwein, wenn er sich nicht bei dir meldet und du nicht wei?t, woran du bist?, sage ich wütend.
?Ich wei?, dass es sich so anh?ren muss. Aber wir wussten beide, worauf wir uns da einlassen. Er hat mir nie etwas versprochen, genauso wenig wie ich ihm. Und er kann wirklich toll sein – selbstbewusst, witzig. Und z?rtlich …? Lin l?uft knallrot an und vergr?bt das Gesicht in den H?nden.
?Das klingt eindeutig nach mehr als blo? etwas K?rperlichem, Lin.?
?Ich wei?!?, st?hnt sie und lugt zwischen ihren leicht gespreizten Fingern hindurch. ?Das habe ich auch erst jetzt gemerkt, wo ich ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr au?erhalb der Schule gesehen habe. Ich vermisse ihn.?
Bei den letzten Worten klingt sie so angewidert, dass ich grinsen muss.
?Habt ihr schon mal darüber geredet? So richtig, meine ich??, frage ich sanft.
Sie schüttelt den Kopf und wird knallrot. ?Cyril und ich reden nie besonders viel miteinander, wenn wir uns sehen.?
Oh Mann.
?Wir sind schon so lange miteinander befreundet, und ich wusste nichts davon. Ich fühle mich gerade wie eine wahnsinnig schlechte Freundin.?
?Du bist eine tolle Freundin. Ich wollte nur niemandem davon erz?hlen, weil … ach, keine Ahnung. Die Geheimniskr?merei hatte irgendwie etwas an sich. Aber jetzt, wo das Ganze offenbar für ihn vorbei ist, macht es mich fertig.? Sie seufzt tief. ?Wir sind total gleich, Ruby. Wir wollten beide nichts Ernsthaftes anfangen, bevor wir nach Oxford gehen.?
Ebenfalls eines der vielen Dinge, die Lin und mich miteinander verbinden.
?Und jetzt sind sowohl James als auch Cyril in Oxford genommen worden?, murmle ich.
?Ja.?
Eine Weile sind wir still und h?ngen unseren eigenen Gedanken nach. Als ich an die Maxton Hall gewechselt bin, habe ich all meine Freunde von meiner alten Highschool verloren. Danach habe ich mir vorgenommen, nur noch oberfl?chliche Bekanntschaften zu pflegen und mich nicht auf mehr einzulassen. Ich wollte nicht Energie in etwas stecken, das mir dann doch wieder genommen wird.
Doch das hat sich ge?ndert, als ich Lin kennengelernt habe. Zwar habe ich nach wie vor Angst, dass auch diese Freundschaft flüchtig ist, aber das Risiko bin ich bereit einzugehen – das hat mir dieses Gespr?ch einmal mehr verdeutlicht.
Ich greife nach Lins Hand und drücke sie leicht. ?Du kannst mit mir über alles reden, Lin. Immer. Ich m?chte, dass du das wei?t.?
Das habe ich noch nie zu ihr gesagt, und es f?llt mir erstaunlich schwer, die Worte über die Lippen zu bringen. Nicht, weil sie nicht aufrichtig sind, sondern weil sie mir so viel bedeuten.
?Danke. Gleichfalls?, kr?chzt Lin, sichtlich berührt. Sie dreht ihre Hand so, dass wir unsere Finger miteinander verschlingen k?nnen. ?Das meine ich übrigens ernst. Du kannst mit mir auch jederzeit über James sprechen. Oder über alles andere.?
Ich kaue auf der Innenseite meiner Wange und denke an den Moment heute Mittag, als James vor der Tür stand und all diese Dinge zu mir gesagt hat.