Save You (Maxton Hall, #2)(14)



Ich bin so unsagbar wütend auf ihn.

Wie konnte er mir das antun?

Wie?

W?hrend mir beim Gedanken daran, irgendwen anders so nah an mich heranzulassen wie ihn, total schlecht wird, hat er, ohne zu z?gern, eine andere geküsst.

Und das Schlimmste ist, dass es nicht nur Wut ist, die ich im Moment für James empfinde, sondern auch Trauer und Mitleid. Er hat seine Mum verloren, und jedes Mal, wenn ich von glühend hei?er Wut auf ihn erfüllt werde, fühle ich mich schlecht. Dabei wei? ich, dass ich dafür eigentlich keinen Grund habe.

Es ist unfair und anstrengend, und als ich abends nach Hause komme, bin ich von dem Kampf, den all diese widersprüchlichen Gefühle in meinem Innern führen, v?llig geschafft. Der Schultag hat mir s?mtliche Energie geraubt, und ich bringe es nicht über mich, eine fr?hliche Fassade für meine Familie aufzusetzen. Seit Mum von Cordelia Beauforts Tod erfahren hat, behandelt sie mich wie ein rohes Ei. Ich habe ihr nicht erz?hlt, was zwischen James und mir vorgefallen ist, aber wie jede Mutter verfügt sie über diesen Instinkt, der ihr bestimmte Dinge verr?t. Beispielsweise, wenn die eigene Tochter Liebeskummer hat.

Ich bin froh, als ich mich abends endlich ins Bett fallen lassen kann. Aber obwohl ich unendlich müde bin, w?lze ich mich über eine Stunde lang von einer Seite auf die andere. Hier gibt es nichts, was mich ablenken kann. Es gibt nichts mehr zu tun, nichts, was sich zwischen mich und meine Gedanken an James dr?ngen kann. Ich lege einen Arm übers Gesicht und kneife die Augen zusammen. Ich will Dunkelheit heraufbeschw?ren, aber das Einzige, was ich sehe, ist James’ Gesicht. Sein angedeutetes, sp?ttisches L?cheln, das lebendige Funkeln in seinen Augen, der sch?ne Schwung seiner Lippen.

Mit einem Fluch werfe ich die Decke beiseite und stehe auf. Es ist so kalt, dass eine G?nsehaut über meine Arme kriecht, als ich zum Schreibtisch laufe und mir meinen Laptop schnappe. Ich gehe zurück zum Bett und ziehe die Decke so hoch es geht. Mit zurechtgerückten Kissen im Rücken klappe ich den Laptop auf und ?ffne den Browser.

Es kommt mir beinahe verboten vor, die Buchstaben in das Suchfeld einzugeben.

J-a-m-e-s-B-e-a-u-f-o-r-t.

Enter.

Es erscheinen 1?930?760 Ergebnisse in 0,50 Sekunden.

Oh Mann.

Direkt unter dem Suchfeld werden Bilder angezeigt. Bilder von James in ma?geschneiderten Beaufort-Anzügen und von James beim Golfen mit seinem Vater und dessen Freunden. Auf ihnen sieht er ordentlich und zurechtgemacht aus, so, als würde ihm die Welt zu Fü?en liegen.

Doch als ich mir die gesamten Bilderergebnisse anzeigen lasse, sieht man auch eine andere, weniger perfekte Seite von ihm. Es gibt eine Reihe unscharfer Handyfotos, auf denen eine jüngere Ausgabe von James sich dicht über einen Tisch und eine Linie aus wei?em Pulver beugt. Fotos, wie er Clubs betritt und verl?sst, mit Frauen im Arm, die mit Sicherheit ?lter als er sind. Fotos, auf denen er v?llig aufgel?st und offensichtlich betrunken ist. Der Unterschied zwischen diesem James und dem, der wie aus dem Ei gepellt neben seinen Eltern und Lydia bei irgendwelchen Galas steht, k?nnte nicht gr??er sein.

Ich klicke zurück auf die normalen Suchergebnisse. Direkt unter der Bilderreihe befinden sich unz?hlige neue Artikel, die meisten davon über Cordelia Beauforts pl?tzlichen Tod. Diese will ich mir nicht durchlesen. Sie gehen mich nichts an, und in den Nachrichten wurde bereits genug darüber berichtet. Ich scrolle weiter, bis unter den Ergebnissen James’ Instagram-Account auftaucht. Wie von selbst ?ffne ich die Seite.

Sein Profil ist eine bunte Mischung aus verschiedensten Fotos. Es zeigt Bücher, die spiegelnde Fassade eines Wolkenkratzers, eine Nahaufnahme von einer mit Stuck besetzten Wand, Sitzb?nke, verwinkelte Treppenstufen, London aus einem Flugzeug von oben fotografiert, seine in Lederschuhen steckenden Fü?e auf einem Bahnsteig, ein Fenster, durch das die Morgensonne scheint. W?ren zwischendurch nicht immer Fotos von ihm mit seinen Freunden oder Lydia zu sehen, h?tte ich dieses Profil niemals James zugeordnet.

Auf den Bildern mit den Jungs hat James das Grinsen im Gesicht, das mich immer um den Verstand gebracht hat – das Grinsen, das so unfassbar arrogant, aber gleichzeitig so mühelos attraktiv ist, dass man einfach Magenkribbeln bekommen muss.

Ein Foto sticht mir besonders ins Auge. Es ist von James und Lydia, und beide lachen. Ein seltener Anblick. Ich kann mich nicht erinnern, Lydia jemals lachen geh?rt zu haben. Bei James hingegen brauche ich nur das Bild anzusehen, um das vertraute Ger?usch in meinen Ohren zu haben. Das Kribbeln in meinem Magen wird durch ein wehmütiges Ziehen ersetzt. Mir fehlt James’ Lachen. Ich vermisse seine Art, seine Stimme, unsere Gespr?che … einfach alles.

Kurzerhand speichere ich das Bild auf meinem Desktop ab. Ich wei?, wie bescheuert das ist, aber das ist mir egal. Ich gehe in allen Bereichen meines Lebens stets bedacht und rational vor. Dieses eine Mal erlaube ich mir, mich von meinen Gefühlen leiten zu lassen.

Die obersten Fotos auf James’ Profil werden von Beileidsbekundungen überschwemmt. Ich überfliege die Kommentare und schlucke schwer. Einige sind nicht nur taktlos, sondern geradezu grausam. Ob James sich das überhaupt alles durchliest? Was er dabei wohl empfindet? Wenn ich es schon schrecklich finde, dann will ich gar nicht wissen, was in ihm vorgehen muss.

Ein Kommentar sticht mir besonders ins Auge, weil er an Geschmacklosigkeit kaum zu übertreffen ist.

xnzlg: wer fotos von der beaufort beerdigung will, schaut auf meinem profil vorbei

Mein Finger verharrt über dem Touchpad, und eine wütende Hitze breitet sich auf meinen Wangen aus. Ich klicke auf das Profil, um es zu melden – und erstarre.

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