Aschenpummel (German Edition)(83)



»Sie parken mitten auf der Straße. Und das ohne Warnblinkanlage«, stellte er fest und schnalzte mit der Zunge. Gleich viermal hintereinander.

»Ähm, ja, tut mir leid, aber mein Wagen hat den Geist aufgegeben. Nichts funktioniert mehr. Ich hab grade den Abschleppdienst angerufen.«

Er schnalzte zwei weitere Male mit der Zunge, dann streckte er die Hand aus. »Führerschein und Wagenpapiere, bitte.«

Mit zittrigen Fingern kramte ich den Zulassungsschein hervor. »Hier. Den Führerschein hab ich leider zu Hause vergessen.«

»Vergessen, so so. Und das Warndreieck, hamma das auch vergessen?«

»Nein, das hab ich hinten.« Ich stieg aus und sperrte den Kofferraum auf. Ich musste mich durch eine ganze Menge Sinatrasachen kramen, um das Warndreieck zu finden.

Und fand es schließlich doch nicht, verdammt.

»Kein Führerschein, kein Warndreieck, eine Schrottkiste von einem Wagen«, fasste der Polizist zusammen.

Wurscht, Teddy, alles egal. Ist eh schon alles wurscht.

»Sind das Originalautogramme vom Frank Sinatra?«, fragte er plötzlich.

Ich nickte.

»Ich bin ein großer Fan.« Er zwinkerte mir vielsagend zu.

Langsam griff ich in den Kofferraum und zog ein Foto mit Unterschrift hervor. Der Sinatrafan schüttelte den Kopf. »Netter Versuch. Wenn, dann will ich die kleine Gitarre.« Er zeigte auf die Ukulele.

»Sicher nicht«, gab ich zurück.

»Dann eine von den Schallplatten. Und das Foto.«

Unglaublich, diese Gier heutzutage. Ich gab ihm die Sachen, und er ging zum Polizeiauto zurück.

»Was hast du dich so lange mit dem abgegeben?«, meckerte Mama, als ich wieder neben ihr saß. »Völlig umsonst. Der hatte einen Ehering am Finger.«


Das Dumme an so einem Automatikauto ist, dass man es nicht normal abschleppen lassen kann. Hat irgendwas mit dem Getriebe zu tun oder so. Jedenfalls musste so ein Riesenanhänger kommen, der meinen Fiat hinten drauf nahm, während Mama, Batman und ich mit dem ganzen Sinatrazeug auf dem Schoß neben dem Fahrer saßen.

Mama thronte zwischen dem Fahrer und mir und hatte anscheinend Lust auf einen Plausch. »Ich war die Geliebte von Frank Sinatra«, erzählte sie launig.

»Und ich bin der Kaiser von China«, lautete die gebrummte Antwort von links.

»Tatsächlich?« Mama klang nicht sonderlich beeindruckt. »Und wo sind Ihre Schlitzaugen?«

»Mama!«

»Die Chinesen haben ja ein großes Problem«, fuhr meine Mutter fort. »Sie sehen aus wie die Japaner. Und das schmeckt ihnen nicht. Das schmeckt ihnen gar nicht. Darum der Vietnamkrieg. Erst gestern habe ich in der Jetzt gelesen …«

Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich so gut auf der Ukulele war. Und so laut. Ich malträtierte die Saiten, so heftig ich nur konnte. Mama versuchte mich zu überbrüllen: »Jedenfalls hat unsere Regierung den Klimawandel extra für die ganzen Ausländer gemacht. Damit es bei uns so heiß wird wie bei denen und sie dann in noch größeren Scharen zu uns strömen. Die ganzen Neger, die Schlitzaugen, die Kopftücher …«

»Stopp!«, brüllte ich, und wäre es nicht Frankies Ukulele gewesen, dann hätte ich sie Mama über den Kopf gezogen.

Sie sah mich verdattert an. Der Fahrer bremste mit quietschenden Reifen und fuhr an den Straßenrand.

In der nächsten Sekunde standen Mama, Batman und ich auf der Wiese und starrten dem Abschleppwagen nach, der immer kleiner und kleiner wurde.

Mama warf theatralisch die Hände Richtung Himmel. »Jetzt haben wir den Schlamassel. Und alles nur wegen dir und deiner Unbeherrschtheit.«

Ich stellte mich vor sie hin und sah ihr direkt in die Augen. »So geht das nicht weiter, Mama, es wird jetzt ein paar Änderungen geben.«

Sie machte den Mund auf, doch ich kam ihr zuvor. »Erstens wirst du dich respektvoll mir gegenüber verhalten. Zweitens werde ich dir jeden Tag eine Zeitung kaufen, so dass du nie wieder die Jetzt lesen musst. Und drittens wirst du mir nicht mehr nachspionieren. Nie wieder. Ist das klar?«

»Thaddäa! Was …«

»Ach ja«, unterbrach ich sie. »Ein Viertens gibt es auch noch. Ich fahre dich nie wieder irgendwohin. Ich hab übrigens gar keinen Führerschein.«

»Dann kauf dir einen!«

»Mama«, sagte ich langsam. »Das sind meine Bedingungen. Wenn du dich nicht daran halten kannst, dann kann ich dich nicht mehr besuchen kommen.«

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