Save You (Maxton Hall, #2)(71)
Nach dem Essen helfe ich dabei, den Tisch abzur?umen. So etwas würde ich zu Hause niemals machen – dafür haben wir Personal –, aber hier packt jeder wie selbstverst?ndlich mit an, also z?gere ich keine Sekunde.
Au?erdem will ich wirklich, dass Rubys Eltern mich m?gen.
Ich kann verstehen, dass sie mir gegenüber skeptisch sind. Das w?re ich an ihrer Stelle auch.
?Kommt ihr beiden noch für einen Moment mit ins Wohnzimmer??, fragt Helen, als wir fertig sind. ?Oder musst du nach Hause, James??
Ich schüttle den Kopf. ?Nein. Nein, ich muss nicht nach Hause.?
?Wenn sie dir Fragen stellen, die du nicht beantworten m?chtest, sag einfach nichts?, flüstert Ruby in mein Ohr, als wir ihrer Mutter mit etwas Abstand aus der Küche folgen. ?Tut mir leid, dass es eben so unangenehm war.?
?Alles okay?, gebe ich genauso leise zurück. ?Mach dir keine Gedanken. Ich mag deine Eltern. Und Ember sowieso.?
Das l?sst ein L?cheln auf Rubys Lippen treten. Am liebsten h?tte ich ihre Hand genommen oder sie anderweitig berührt, aber in diesem Moment betreten wir das Wohnzimmer, in dem der Rest der Familie es sich bereits gemütlich gemacht hat.
Mir f?llt auf, wie ger?umig das Zimmer wirkt und wie minimalistisch es eingerichtet ist. Im Gegensatz zu Rubys ist es nicht vollgestellt, sondern offen mit viel freier Fl?che. Ich verstehe, warum das so sein muss, als Mr Bell seinen Rollstuhl hin und her man?vriert, bis er parallel zum Sofa steht. Danach nimmt er eine Art Fernbedienung in die Hand, und pl?tzlich wird das Sofa angehoben, bis es die gleiche H?he wie der Sitz des Rollstuhls hat. Mr Bell rutscht von einer Sitzfl?che auf die andere. Als er sieht, dass ich ihn dabei beobachte, will ich im ersten Moment hastig den Blick abwenden, widerstehe dem Impuls aber. Er soll nicht denken, dass ich es unangenehm finde, ihn so zu sehen – schlie?lich ist das für ihn eine ganz normale Sache. Also halte ich seinem Blick stand und deute auf das Sofa, das sich wieder zu senken beginnt.
?Ich habe so was noch nie gesehen?, sage ich ehrlich. ?Ist das ins Sofa eingebaut, oder …??
Mr Bell nickt. Falls er über meine Frage überrascht ist, zeigt er es nicht. ?Genauer gesagt, unters Sofa.?
Ember l?sst sich neben ihren Vater fallen. Sie lehnt sich kurz gegen seine Schulter, und pl?tzlich breitet sich ein liebevoller Ausdruck auf seinem Gesicht aus, der seine gesamte Mimik weich werden l?sst. So sieht wohl ein Vater aus, der sein Kind nicht blo? als einen Gesch?ftspartner betrachtet, den er für seine eigenen Zwecke instrumentalisieren kann.
?Setzt euch?, sagt Helen. Unschlüssig drehe ich mich zu Ruby, die mir die Entscheidung abnimmt und auf den Sessel gegenüber dem Sofa deutet. Sie selbst setzt sich neben Ember.
?Hast du schon mal Jenga gespielt, James??, fragt Ember unvermittelt, als ihre Mum ein Spiel in die Mitte des Wohnzimmertischs legt, das so aussieht, als würde es nur aus Holzkl?tzen bestehen. Ich be?uge es skeptisch und schüttle den Kopf. ?Nein.?
Embers Mund klappt kurz auf. ?Okay. Das ist …? Sie r?uspert sich. ?Ich wei? nicht, wie ich das finden soll.?
Ich hebe die Achseln. ?Sorry.?
?Das ist nicht schlimm?, springt Ruby ein und wirft Ember einen Blick zu, der deutlich besagt, dass sie jetzt besser schweigen sollte.
?Genau?, stimmt Helen zu. ?Es ist kinderleicht.?
Mr Bell schnaubt. ?Das sagst du, weil du immer gewinnst.?
?So ein Quatsch.? Sie l?chelt mich zuversichtlich an und deutet auf den Turm, den sie gerade aus den Holzbl?cken aufgebaut hat. ?Wir müssen von diesem Turm abwechselnd einen Stein ziehen und ihn dann wieder oben drauflegen. Du darfst immer nur eine Hand zum Ziehen benutzen, und in jeder Reihe muss mindestens ein Holzstück liegen bleiben.?
Ich nicke einmal. ?Verstanden.?
?Und das Tolle ist?, f?hrt sie fort und sieht dabei ihren Ehemann an, ?es gibt immer mehrere Gewinner und nur einen Verlierer.?
?Das stimmt nicht?, geht Ruby dazwischen. ?Wenn man die letzten achtzehn Jahre zusammenrechnet, sind wir alle Verlierer, weil Mum den Turm n?mlich nie umst??t.?
Als Antwort l?chelt Helen blo? in sich hinein, und in diesem Moment merke ich, dass ich mich nicht von ihrer herzlichen Art t?uschen lassen darf, sondern mich vor ihr in Acht nehmen muss.
Das Spiel geht los. Ich bin direkt nach Helen dran und ziehe einen kleinen Holzblock von der Seite heraus. Nach mir kommt Mr Bell, dann Ember und zum Schluss Ruby. Schon als ich zum zweiten Mal an der Reihe bin, kracht der Turm in sich zusammen. Erschrocken zucke ich zurück, als Holzbl?cke in alle Richtungen fallen. ?Verdammt?, murmle ich.
?Nichts für ungut, James, aber du bist echt schlecht?, sagt Ember.
?Er braucht nur ein bisschen übung.? Ruby klingt deutlich zuversichtlicher, als ich mich fühle.
In der n?chsten Runde halte ich besser durch, aber auch diesmal bin ich derjenige, der den Turm zum Fallen bringt. Und auch in der Runde darauf. Immerhin scheinen sich Ember und Mr Bell darüber zu freuen, von daher ist das in Ordnung für mich. Runde vier l?uft schon besser. Ich habe versucht, Helens Technik zu kopieren, und tats?chlich scheint der Trick zu sein, nur die Fingerspitzen und nicht die ganze Hand zu benutzen. Danach lasse ich mir Zeit, obwohl ich die Blicke von allen auf mir spüren kann. Ich gebe mir Mühe dabei, die Bl?cke so langsam wie m?glich herauszuziehen, und diesmal klappt es richtig gut.
Am Ende ist der Turm so wackelig, dass Ruby verzweifelt den Kopf schüttelt, als sie dran ist. Mit leicht ger?teten Wangen und konzentriertem Blick beugt sie sich vor und zieht einen Holzblock heraus. Der Turm wankt hin und her, als sie sich zurücklehnt, und wir alle warten wie gebannt. Als das Wanken weniger wird und er schlie?lich tats?chlich stehen bleibt, atme ich erleichtert auf. Ruby h?rt es und blickt über den Turm hinweg zu mir. Das L?cheln, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitet, werde ich niemals vergessen. Wirklich, niemals. Es erfüllt meinen ganzen K?rper, und einen Moment lang bin ich so gefangen von ihrem Anblick, dass ich gar nicht realisiere, wie Helen die Hand ausstreckt und …